Fluch der Engel: Roman (German Edition)
rot – wie das Herzblut eines Engels.«
»Du … du hast Flügel? Aber ich dachte …« Aron verstummte. »Wie konntest du so schnell wieder zu Flügeln kommen?« Die Fassungslosigkeit auf seinem Gesicht versetzte mich in Alarmbereitschaft. »Hat Christopher dir von seinen Engelskräften gegeben?«
»Ich … ich … gut möglich«, stammelte ich, während meine Wangen erröteten wie glühendes Eisen.
»Du … ihr habt …« Aron stockte, betrachtete mich, schmunzelte und zog die richtigen Schlüsse. »Und danach hat er dich in den Fischkeller gesperrt?«
»Damit ich weder Hilfe holen noch ihn auf seinem Rachefeldzug begleiten kann«, zischte ich. Arons mitleidiger Blick war alles andere als hilfreich, meine aufgewühlten Gefühle zu besänftigen. »Für euch beide bin ich offenbar nur ein dämlicher kleiner Engel, den man herumschubsen kann.«
Aron ließ sich nicht auf einen Streit mit mir ein. »Wenn Christophers Hass auf Sanctifer so groß ist wie seine Liebe zu dir, wird er sich möglicherweise nicht damit aufhalten, den Zirkel oder die Dogin darüber zu informieren, dass Sanctifer dunkle Engel erschafft.«
»Ach? Plötzlich so scharfsinnig?«, zickte ich.
»Nein, nur überzeugt, dass du mir die Wahrheit erzählt hast. Ich hoffe, der Rest von dir ist ebenso unverwüstlich wie deine Zunge. Christopher fühlt sich verantwortlich für den Tod seines besten Freundes und Gabriellas Verurteilung. Deshalb wird er alles daransetzen, ihre Seele zu retten, bevor er Sanctifer tötet.«
»Gabriella hat keine Seele mehr«, unterbrach ich Aron. Er ging nicht darauf ein.
»Geh, und pack ein paar Kleider zusammen. Wir brechen in einer halben Stunde auf. Auch einige andere Engel sollten erfahren, was du gesehen hast.«Aron schickte mich mit dem Nachtzug nach Venedig. Er selbst zog es vor, zu fliegen. Mir war klar, warum er mich nicht wenigstens mit dem Flugzeug nachkommen ließ: Er wollte Zeit gewinnen, um nach Christopher zu suchen und auszuloten, wie die obersten Engel Venedigs auf einen Racheengel reagieren würden, dessen Flügel beim Durchschreiten einer Barriere gegen dämonische Geschöpfe in Flammen aufgegangen waren. Immerhin hatte er mir versprochen, nach Philippe zu suchen. Meine Beschreibung von Massimo und dem, was Sanctifer aus Philippes Schutzengel gemacht hatte, genügte, um Aron zu überzeugen.
Natürlich ließ Aron mich nicht allein reisen. Er beauftragte Paul, mich zu begleiten – und vermutlich auch zu bewachen und abzulenken. Jetzt, wo ich endlich wieder an Christopher denken durfte, stand ich kurz davor, mich in ein Nervenbündel zu verwandeln.
Angespannt kaute ich auf meiner Unterlippe, starrte auf die vorbeiziehende Landschaft und fieberte dem Sonnenaufgang über der Lagunenstadt entgegen. Am höchsten Punkt der Alpen verlor Paul schließlich die Geduld.
»Aron hat mich gebeten, dir ein paar Stunden Schlaf zu gönnen. Entweder waren meine Witze zu spannend oder du zu unentspannt.« Er seufzte, zückte eine Thermoskanne, füllte einen Becher mit Schlaf-ein-Tee und reichte ihn mir. »Wohl bekomm’s.«
»Trink du ihn. Ich hab keine Lust auf Arons Schlummertrunk.«
»Willst du, dass ich Ärger bekomme?«
»Nein, aber …«
»Gut, dann schluck’s runter. Noch brauchst du deinen Schönheitsschlaf, wenn du mit den anderen Engeln mithalten und nicht wie ein zugedröhnter Siebenschläfer daherkommen willst.« Paul drückte mir den Becher in die Hand. »Keine Sorge, ich bleib wach und pass auf dich auf – und wecken werde ich dich auch rechtzeitig«, beteuerte er mit einem Grinsen.
»Und womit?« Bei seinem letzten Weckeinsatz hatte er mir einen nassen Waschlappen ins Gesicht gedrückt.
»Ich dachte eigentlich an Frühstück. Aber wenn du dich noch länger gegen Arons Einschlafhilfe wehrst, überleg ich mir vielleicht was anderes.«
Obwohl es mir bei jedem Schluck den Magen umdrehte, trank ich den Becher leer. Paul hatte recht. Ich brauchte meine Kräfte, und schlafen war allemal besser, als aus dem Fenster zu starren und mir auszumalen, wo Christopher jetzt wohl steckte.
Im Glanz der aufgehenden Sonne begrüßte mich Venedig. Ein goldener Schimmer überzog das verschachtelte Meer aus roten Ziegeldächern. Es würde ein heißer Tag werden, noch war Sommer.
Aron holte uns am Bahnhof ab. Mein Herz zog sich zusammen. Er war allein gekommen – ohne Christopher. Auch seine Miene verhieß nichts Gutes. Außer ein paar Begrüßungsworten sprach er nur wenig. Doch erst als wir eine Gondel
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