Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Aron ließ nicht locker. Seine Hände umklammerten mein Gesicht, seine Finger drängten meine Augenlider auseinander und zwangen mich, ihn anzusehen, bis er sicher sein konnte, dass ich wusste, wer vor mir stand.
»Lynn, es tut mir leid. Bitte, verlier dich nicht! Es war erbärmlich, dir vorzuwerfen, du hättest Christopher verraten. Aber ich … ich war so wütend und …« Aron stockte. Seine Verzweiflung klang echt. »Lynn, bleib, wer du bist. Vertraue deiner Engelseele. Sie ist nicht weniger mächtig als dein Schatten. Christopher braucht dich. Und ich schwöre dir, ich werde ihn finden, wo auch immer er steckt. Ich werde ihn dir zurückbringen – als Engel!«
Christopher braucht dich! Arons Worte brannten sich unheilverkündend in mein Herz. Christopher war mir in allem überlegen. Er würde nur in einem Fall Hilfe brauchen: um wieder ein Racheengel zu werden. Denn auch ein Schatten war ein Engel.
Kapitel 25
Dogenpalast
G laubst du, ich bleibe hier und sehe zu, wie Sanctifer Christopher in eine Falle lockt?! Da musst du mich schon ins Verlies oder wieder in den Fischkeller sperren.«
»Wenn es sein muss.« Aron stand vor einem der Bücherregale in der Bibliothek und warf mir einen grimmigen Blick zu. »Selbst Christopher ist der Meinung, dass du hier am besten aufgehoben bist.«
Ich schöpfte Hoffnung. »Du hast mit Christopher gesprochen?«
»Nein, aber er hat Coelestin eine Nachricht geschickt, damit ich dich finde. Er bat darum, dich nicht aus dem Schloss zu lassen – und zumindest in diesem Punkt bin ich mit Christopher einer Meinung.« Aron wirkte entschlossen. Notfalls würde er mich tatsächlich einsperren. »Du kannst nicht einfach in den Dogenpalast spazieren und der Dogin erklären, dass ein Mitglied ihres Rats die Gesetze hintergeht«, klärte er mich auf.
»Das habe ich auch nicht vor!«, rief ich, kurz davor, vom Sofa zu springen, auf das ich mich geflüchtet hatte. Ich war sauer. Es war schon viel zu viel Zeit verstrichen, um noch länger tatenlos im Schloss der Engel herumzusitzen. Aron hatte mir nach meinem Gefühlschaos ein paar Stunden Schlaf aufgezwungen, bevor er mich von Paul in die Bibliothek bringen ließ, um mich einem Verhör zu unterziehen. Dass Coelestin Christopher den Zutritt zur Insel erlaubt hatte, wusste er bereits.
Ich hatte bei meiner Flucht mit Raffaels Speedboot begonnen. Sanctifers Initiationsritual hatte ich ausgespart. Damit wollte ich Aron überzeugen, mich mit nach Venedig zu nehmen. Doch schon als ich ihm von der Krypta und meinen brennenden Flügeln erzählthatte, verschloss er sich. Meine dämonische Seite entsetzte ihn. Seine Entscheidung, mich im Schloss der Engel zu lassen, war die Folge.
»Ich kann beweisen, dass Sanctifer Menschen zwingt, ihr Blut herzugeben – und dass er dunkle Engel erschafft.«
Aron wurde noch um eine Spur blasser. »Er raubt Engeln die Seele? Das … das kann nicht sein. Dazu bräuchte er …«
»Einen Schattenengel?«, fiel ich ihm ins Wort. »Sanctifer hat mich gezwungen zuzusehen, wie Gabriella einem Engel das Herz durchbohrte, während er ihm seine Seele gestohlen hat.«
»Gabriella ist tot.« Arons Miene verhärtete sich. Er vertraute mir, dem dämonischen Wesen mit den abgebrannten Flügeln, nicht mehr. Es wurde Zeit, ihm zu zeigen, dass ich noch immer ein Engel war.
Arons Antennen waren ausgefahren. Er spürte meine Anspannung, kaum dass ich begonnen hatte, meine Energie zu konzentrieren. Panik spiegelte sich in seinen Zügen. Kurz darauf hüllte er mich in eine eisige Zwangsjacke.
Anstatt meine Seele zu schützen, forcierte ich meine Engelskräfte. Um Aron meine Flügel zu zeigen, brauchte ich sie an einer anderen Stelle.
Sein Kleid aus Engelsmagie entzog mir die Luft zum Atmen. Aron war stark, doch ich war fest entschlossen – und ihm dennoch unterlegen. Sein Zugriff war heftig. Ich würde das Bewusstsein verlieren, bevor ich meine Flügel entfalten konnte.
Zwei Tränen kullerten meine Wangen hinab. Aron sah in mir ein dämonisches Monster. Verzweifelt sackte ich auf dem moosgrünen Sofa zusammen. Keine Sekunde später zog sich die Eiseskälte zurück und Aron kniete neben mir. Sein Blick folgte der Spur meiner Tränen.
»Was hattest du vor?«, fragte er heiser. Anscheinend war das Kräftemessen auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen.
»Dir meine Flügel zu zeigen«, flüsterte ich und umschlang meine Knie, um meinem Körper Halt zu geben. »Aber wahrscheinlichhättest du sie eh nicht gemocht. Sie leuchten
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