Fluch der Engel: Roman (German Edition)
unter die Nase zu halten.
Ich presste die Zähne zusammen. Unterwürfigkeit hatte Aron nie von mir verlangt – Nagual sah das offensichtlich anders. Widerstrebend befolgte ich seine Anweisung und atmete den süßen Zauberduft ein. Wie immer spürte ich nur ein leichtes Kribbeln, was sich änderte, als Nagual seine Engelsmagie nach mir ausstreckte. Die Macht des Racheengels war erschreckend. Läge ich nicht bereits auf den Knien, würde ich das spätestens jetzt tun.
Verbissen versuchte ich, ein Stöhnen zu unterdrücken und mich nicht gegen ihn zur Wehr zu setzen – was mir beides nicht besonders gut gelang. Naguals Stärke forderte den Racheengel in mir heraus. Doch meine einzige Chance lag nicht im Angriff, sondern in der Verteidigung. Also zog ich alles zusammen, was ich am liebsten gegen Goldauge geschleudert hätte, und schützte meine Seele.
Naguals schmerzhafter Zugriff verblasste. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Ich hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.
Mein Widerstand weckte Naguals Engelinstinkt. Seine aufblitzenden Flügel spiegelten den Zorn wider, der ihn zwang, seinen Angriff zu forcieren. Doch je stärker er mich mit seiner Engelsmagie attackierte, umso leiser wurden meine Selbstzweifel. Vielleicht kannte nur Christopher mich gut genug, um meine Seele zu verletzen.
Der Einzige, der Schwäche bewies, war Goldauge. Eine Waffe blitzte in seiner Hand auf, kein Schwert, sondern ein gebogenes Messer. Zu klein, um mir meine Flügel zu nehmen, aber scharf genug, um schmerzhafte Spuren zu hinterlassen.
Ich versuchte, auf die Beine zu kommen. Naguals klauenbewehrteHand an meinem Nacken drückte mich zu Boden. Ein Wimmern entwich meiner Kehle. Klauen, die im Hals steckten, waren schmerzhafter als welche in Oberarmen oder Schultern. Was er mit dem Messer anrichten würde, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen.
Doch anstatt meines erfüllte Naguals Schrei den kleinen Raum. Aron hatte mit seinem Schwert ein Loch in Goldauges Flügel gerissen. Wutentbrannt ließ Nagual mich los und verwandelte das Messer in ein mächtiges Schwert, mit dem er sich auf Aron stürzte. Dass auch ich Klauen besaß und sie liebend gern in Naguals Knöchel schlug, überraschte ihn.
Mit einem lauten Keuchen ging der Racheengel zu Boden. Sein Schwert erlosch. Ich rappelte mich hoch und ließ ihn meine Klauen dort spüren, wo sein Herz schlug. Aron handelte beinahe gleichzeitig. Bedrohlich dicht über Naguals unverletztem Flügel schwebte sein schneeweißes Schwert.
»Lynn hat bewiesen, dass sie sich der Macht eines Engels entziehen kann. Ihr körperlichen Schmerz zuzufügen, solange sie noch so menschlich ist, offenbart mehr von deinen als von ihren Schwächen«, erklärte Aron mit einer Gelassenheit, die nach dem kurzen Kampf jenseits meiner Möglichkeiten lag. »Schwöre, sie nie wieder herauszufordern, oder ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um dich aus dem Verkehr zu ziehen!«
Nagual sog hörbar den Atem ein. Aron drohte ihm, sein Wissen als Tutor eines Racheengels einzusetzen, um Nagual in ein Monster zu verwandeln.
»Aron, bitte. Nagual wird mir nicht helfen, wenn du ihm drohst.« Ohne die beiden Engel aus den Augen zu lassen, richtete ich mich auf. »Inzwischen sollte ihm klar sein, dass du Christopher und mir mehr vertraust als der Dogin und ihrem Rat.«
Aron ließ sein Schwert sinken und trat einen Schritt zurück. So weit, um Nagual unbewaffnet entgegenzutreten, reichte sein Optimismus dann doch nicht.
Nagual presste seine Kiefer zusammen, verdrängte den Schmerz,erhob sich und zog seine Flügel ein. Angestrengt betrachtete er zuerst mich, bevor er sich an Aron wandte.
»Was hat sie, was ich nicht habe?«
»Ich weiß es nicht genau.« Aron ließ sein Schwert verschwinden. Nagual stellte Fragen und war bereit, zuzuhören. »Aber ich vermute, dass ihre Liebe zu Christopher sie davor bewahrt, sich in ihrem dämonischen Wesen zu verlieren.«
»Christopher auch?«
»Nein, im Gegenteil. Sein dämonisches Erbe ist mächtiger geworden als jemals zuvor.«
Mir wurde schlecht und schwindelig zugleich. Das hatte Aron mir nicht gesagt. Ich fühlte, wie ich erblasste, und suchte nach etwas, das mir Halt gab. Doch außer einem sadistischen Racheengel und einem berechnenden Seelenengel gab es nichts, woran ich mich festklammern konnte. Selbst Christopher sperrte mich lieber ein, als mir zu vertrauen – vermutlich, weil ich daran schuld war, dass seine dunkle Seite stärker wurde.
»Ich … ich muss
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