Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Mein Hass auf Sanctifer brannte niemals heftiger.
Nagual stürmte auf den Balkon. Aron kniete sich zu mir. Kälte erstickte mich. Die Bilder verschwammen. Noch immer kauerte jemand vor mir, doch nicht Nagual, sondern Sanctifer stand daneben. Dieses Mal zögerte ich nicht, sondern schlug meine Klauen in das Herz des knienden Engels, bevor schwarze Dunkelheit mich erlöste.
Kapitel 27
Widerstand
L ass mich runter! Ich muss zu ihm!«, schrie ich, als ich, getragen von Aron und bewacht von Nagual, unter der großen Kuppel der Basilika wieder zu mir kam. »Er hat ihn gezwungen, einem Engel die Seele zu rauben!«, setzte ich nach.
Aron blieb stehen und stellte mich auf die Beine. »Was genau hast du gesehen?«
»Mehr gespürt als gesehen«, antwortete ich. »Es war, als hätte ich selbst dem Engel meine Klauen in den Leib geschlagen.« Meine Stimme versagte. Das Gefühl, zu spüren, wie einem Engel die Seele gestohlen wurde und wie der Engel, der sie ihm nahm, dabei litt, überwältigte mich erneut. Haltsuchend klammerte ich mich an Aron. »Er hat ihn in ein Monster verwandelt. Ich muss zu ihm!«
»Du bist an Christopher gebunden?«, fragte Nagual argwöhnisch.
»Nein, nur er an mich, aber ich …« Mal wieder ließ Nagual mich nicht ausreden.
»Dann entstammen die Bilder deiner Fantasie.«
Naguals anmaßende Arroganz entfachte meinen Widerstand. Wütend befreite ich mich von Aron und baute mich mit in die Hüften gestemmten Armen vor dem Racheengel auf.
»Ich weiß, wann ich träume und wann nicht!«, knurrte ich.
»Bist du dir da ganz sicher?« Mit derselben Sanftmut, die jetzt in seiner Stimme mitschwang, streckte er seine Engelsmagie aus, um mich zu manipulieren.
»Völlig«, säuselte ich, blockierte seinen Angriff und versuchte, ihm ein Gefühl von dem, was ich gespürt hatte, aufzuzwingen.
Naguals zornige Augen und das Aufblitzen seiner Flügel hättenals Warnung eigentlich gereicht. Dass er auch noch seine Klauen in meine Schulter bohrte, fand ich ziemlich übertrieben.
»Lass sie los!«, hörte ich Arons befehlende Stimme. »Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie Christophers Empfindungen noch eine Zeitlang spüren kann.«
Nagual gab mich augenblicklich frei – ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit krümmte ich mich vor Schmerz.
»Zwei Racheengel vereint?! – Unfassbar!«, donnerte Goldauge. Er warf mir einen missbilligenden Blick zu, der sich nicht auf mein Schwächeln bezog. Erst dadurch wurde mir klar, was Aron ihm verraten hatte.
Mit schmerzverzerrtem, inzwischen auch noch rot angelaufenem Gesicht rappelte ich mich hoch. Aron wollte mir helfen. Ich schüttelte ihn ab. Es ging niemanden etwas an, was zwischen mir und Christopher passiert war. Doch Aron ließ sich nicht so leicht vertreiben. Besorgt betrachtete er die tiefen Schnittwunden auf meiner Schulter und schickte Paul los, um Heilbalsam zu holen.
»Du bist zu weit gegangen«, beschwerte er sich bei Nagual.
»Das sehe ich anders. Sie hat versucht, mich zu manipulieren«, verteidigte sich Goldauge.
»Und du sie! Doch im Gegensatz zu dir hat sie ihre Klauen nicht gezeigt.«
»Ich bin ihr nur zuvorgekommen.«
»Wobei?«, zischte ich. » Ich kann mich beherrschen.«
»Tatsächlich?«, fragte Nagual mit provozierendem Unterton. »Das möchte ich sehen.« Durch seine goldenen Schwingen zuckten bernsteinfarbene Blitze, seine Klauen zielten erneut auf mich.
Nagual, der älteste und erfahrenste Racheengel des Zirkels, wollte sich mit mir messen? Entgeistert wich ich zurück.
»Versteckst du dich wieder hinter dem Rücken deines Tutors, kleiner Engel ?«, provozierte er mich, den Kampf gegen ihn aufzunehmen.
»Nein, ich weiß nur, wann ich zurückstecken sollte«, antwortete ich selbstsicher, blieb aber zwischen ihm und Aron stehen.Wenn ich jetzt klein beigab, würde Nagual in mir immer den kleinen, naiven Engel sehen. Und ihn zu überreden, mit mir in Sanctifers Palast einzubrechen, konnte ich dann auch vergessen. »Doch wenn dir so viel daran liegt, mir deine Überlegenheit zu demonstrieren: bitte.« Ich schleuderte Goldauge noch ein trotziges »Worauf wartest du?« an den Kopf und funkelte ihn böse an.
»Du wagst es, mich herauszufordern?« Nagual stand kurz davor, mich anzugreifen.
Aron machte einen Schritt in meine Richtung. Ich warf ihm einen beschwörenden Blick zu. Er nickte und blieb stehen – wenigstens ein Engel, der mir vertraute.
»Mir scheint wohl nichts anderes übrigzubleiben, als mich mit dir zu messen,
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