Fluch der Engel: Roman (German Edition)
zusammengebissenen Zähnen hindurch, während ich meine Wut hinunterschluckte. »Lass uns gehen.« Die dunklen Engel, die mich in Sanctifers Gruft brachten, trugen nicht zur Zierde einen silbernen Knopfim Ohr, und ich wollte Philippe keine Sekunde länger dort unten eingeschlossen wissen.
Aron drückte mich auf die Bettkante zurück. »Ich möchte, dass du mir erklärst, wie ich dorthin komme.«
»Das zeige ich dir am besten, wenn wir …« Ich stockte. Arons ausweichender Blick gefiel mir nicht. »Du … hast nicht vor, mich mitzunehmen?!« Ich kannte ihn gut genug, um seine Miene richtig zu deuten.
»Nein, das habe ich nicht vor.«
Ich war schneller durch die Tür als er. Selbst Paul reagierte zu langsam. Sie holten mich erst ein, als ich vor Christophers Zimmer stand.
»Lynn, sei vernünftig«, versuchte Aron mich zu beruhigen. »Chris braucht Ruhe. Er hat einen schweren Kampf hinter sich, der ihm beinahe das Leben gekostet hätte.«
Ich nahm meine Hand von der Türklinke. In diesem Punkt hatte Aron recht.
»Warum hast du mich nicht früher geweckt?! Weißt du, was Philippe durchgemacht hat? Welche Angst er haben muss?« Meine Stimme klang schrill – ich war außer mir. Was, wenn Sanctifer eines seiner Monster bei ihm zurückgelassen hatte? Ich schüttelte Aron ab und lief weiter. Vielleicht konnte Coelestin mir helfen.
Aron folgte mir. Dieses Mal blockierte er mir als Engel den Weg. »Lynn, ich denke nicht, dass es gut für dich wäre, in Sanctifers Palast zu gehen.« Offenbar befürchtete Aron dasselbe wie ich.
»Ich bin es Philippe schuldig, ihn da rauszuholen, egal, wie viele seelenlose Engel noch dort sind. Schließlich hat Sanctifer ihn nur meinetwegen entführt.«
Aron betrachtete mich mit einem sonderbaren Blick. Schließlich seufzte er und gab nach. »Versprich mir, keine Dummheiten zu machen.«
»Versprochen!«
»Und meine Anweisungen zu befolgen.«
»Auch versprochen«, antwortete ich, bevor Aron es sich anders überlegte.
Aron brachte mich zu Coelestin und den etwa fünfzig Engeln, die vor der Basilika warteten. Auch Paul kam mit. Wie ich starrte er ungläubig auf das Bild, das sich uns bot: Viele der Häuser und Paläste im angrenzenden Stadtviertel hatten gebrannt oder qualmten noch immer. Schwarz verrußte anstatt weißer Säulen verunstalteten die umliegenden Gebäude – Überreste der einst so wunderschönen Palastfassaden. Doch das Schlimmste: Der große Campanile, das Wahrzeichen der Stadt der Engel, war in sich zusammengestürzt. Die vielen Ziegelsteine, die ihm sein unverwechselbares Aussehen verliehen hatten, verteilten sich über den Markusplatz. Und der große goldene Engel, der noch vor ein paar Stunden auf seiner Spitze gethront hatte, lag zerschmettert zu seinen Füßen und schaute vorwurfsvoll in meine Richtung.
Ich wandte mich ab. Mir blieb keine Zeit, das ganze Ausmaß der Zerstörung zu erfassen. Philippe brauchte Hilfe.
Paul schenkte mir ein mitleidiges Grinsen, als Aron seine Arme um meine Taille legte, um mit mir über die Lagune zu fliegen. Ich ignorierte es. Irgendwann würde ich das auch allein schaffen.
Die Sonne hatte den Horizont gerade überschritten, doch die Farbe am Himmel stammte nicht von ihr. Wie eine dunkle Wolke schwebte die Asche der verbrannten Stadt über der Lagune und färbte das Blau des wolkenlosen Sommertages in bösartiges Rot. Selbst die Sonne leuchtete, als wäre sie in Blut getaucht.
Eine undefinierbare Angst beschlich mich. Als ich Sanctifers Insel entdeckte, wusste ich, woher sie kam. Dort, wo hinter Ruinen verborgen der Palast stand, loderten Flammen empor. Philippe würden sterben, wenn ich zu spät kam – falls er überhaupt noch lebte.
Meine Flügel drängten hervor. Aron flog viel zu langsam.
»Lass das!«, zischte er und verstärkte seinen Klammergriff. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um fliegen zu lernen. Sag mir lieber, welchen Punkt wir ansteuern sollen.«
Ich verzichtete auf Flügel. Stattdessen erklärte ich Aron, wo Sanctifers babylonisches Privatmuseum lag. Coelestin nickte, er hatte zugehört. Er bat uns und seine Krieger, zurückzubleiben, und flog zu der Stelle, die ich beschrieben hatte. Über der mit Engelsmagie gewobenen Grenze, die den Palast vor den Augen der Engel verbarg, blieb er mitten in der Luft stehen. Vorsichtig streckte er eine Hand aus. Kurz darauf spürte ich, wie Engelsmagie floss. Offenbar nahm Coelestin die Schwingung der Barriere auf, um sie in die Silberbänder einzuweben, die er
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