Fluch der Engel: Roman (German Edition)
seinen Blick über mich gleiten. Auf meinem Gesicht blieb er hängen. »Aber wenn ich mir dich genauer ansehe, glaube ich, dass du auch ohne Schlafhilfe zurechtkommst.«
Ich nickte nur, was Aron dazu veranlasste, mich in das nächste freie Zimmer zu tragen. Bleierne Müdigkeit überfiel mich. Ich wollte nur noch eines: schlafen. Widerstandslos ließ ich mich von Aron ins Bett stecken.
»Paul wird dich wecken«, hörte ich ihn beim Hinausgehen sagen, doch ich konnte kaum noch klar denken, geschweige denn nachfragen, warum Paul mich wecken sollte.
Ich schlief unruhig. Ein lautes Geräusch, wie von einer Explosion, schreckte mich auf. Irgendetwas Großes war zusammengestürzt. Doch ich war zu müde, um nachzusehen.
Albträume schlichen sich ein. Tote Engel und andere seelenlose Wesen riefen mich zu sich. Raffael verjagte sie. Seine dunklen Augenwirkten traurig und glücklich zugleich. Es fiel mir schwer, zu erkennen, was er wirklich fühlte.
Ein anderes dunkles Augenpaar vertrieb seine Gestalt. Schwarze Wuschelhaare und ein mir allzu bekanntes Gesicht: Philippe.
Mit hämmerndem Herzen schreckte ich aus meinem Traum auf. Christopher hatte mir versichert, dass ein paar von Coelestins Kriegern die Menschen auf Sanctifers Insel befreien und ohne Erinnerungen an das Erlebte in ihre Welt zurückbringen würden. Ich war zu erschöpft gewesen, um vor der Versammlung des Zirkels die Welten zu wechseln und nach Philippe zu sehen. Ein Fehler, ich war mir sicher. Philippe war noch irgendwo in Sanctifers Palast.
Gerade als ich die Tür öffnen wollte, kam Paul mir zuvor.
»Schon wach? Schade, ich hatte mich so aufs Wecken gefreut«, begrüßte er mich mit einem schiefen Grinsen – zumindest ihm ging es gut. Ich fühlte mich wie einmal durchgekaut. Wenigstens vertrieb meine Angst um Philippe die Müdigkeit.
»Ich muss zu Philippe«, antwortete ich anstatt einer Begrüßung.
»Deshalb bin ich hier.« Pauls Grinsen war verschwunden – mein Albtraum war wohl doch keiner gewesen.
Schweigend lief ich neben Paul den Flur entlang. Als er vor Lucias Zimmer stehen blieb, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Philippe sollte nicht hier, sondern in der Menschenwelt sein. War er verletzt? So schwer, dass er die Heilkräfte eines Engels benötigte? Meine Sorge um Philippe stieg sprunghaft. Doch als ich den Raum betrat, warteten dort nur Lucia und Aron. Lucia saß ganz oben in ihrem Bett, Aron auf einem Stuhl daneben. Er winkte uns näher.
»Es tut mir leid, dass ich dich schon so früh wecken musste, aber ich brauche deine Hilfe.«
Aron brauchte meine Hilfe? Das war neu.
»Und wobei?« Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
»Nimm Platz«, forderte Aron mich auf und bot mir seinen Stuhl an. Anscheinend befürchtete er, mein Kreislauf würde schlappmachen. Ich setzte mich auf die Bettkante am Fußende.
»Es gibt ein Problem«, begann er. Mein Magen krümmte sich zusammen. »Philippe war nicht unter den Menschen, die von Coelestins Engeln aus Sanctifers Palast befreit wurden – und in seiner Welt ist er auch nicht. Aber Lucia ist sich ziemlich sicher, dass er im Palast war.« Inzwischen war mein Magen auf Bohnengröße geschrumpft.
Aron sah beiseite. Er verschwieg mir etwas. Ihm dieses Geheimnis zu entlocken würde dauern. Also wandte ich mich an Lucia.
»Und weshalb bist du dir da so sicher?«
Wie ein verschüchterter Teenager saß Lucia am Kopfende des Bettes. Eine dicke Beule blühte auf ihrer Stirn. Vermutlich waren unter ihren dunklen Haaren noch mehr zu finden. Als ich sie ansprach, umschlang sie ihre Knie ein wenig fester. Sie schien noch immer unter den Ereignissen in der Krypta zu leiden, aber vor allem hatte sie Angst – vor mir.
»Ich bin mit Philippe befreundet. Ich will ihm helfen«, versuchte ich es in Arons Beruhigungstonfall. »Ich muss wissen, warum du glaubst, dass er in Sanctifers Palast ist.«
»Ich habe ihn gesehen. In der Gruft. Er … er hat ihm als Spender gedient.«
Ein Schauder überlief Lucias zerbrechlichen Körper. Ich schauderte mit und wandte mich ab, damit Lucia die Wut in meinen Augen nicht sehen konnte. Vermutlich hätte sie vor Angst nie wieder mit mir gesprochen.
Warum ausgerechnet Philippe? Ich kannte die Antwort: meinetwegen!
»Die Krieger der Dogin haben den ganzen Palast durchsucht. Weißt du, wo Sanctifer ihn versteckt haben könnte?«, fragte Aron und legte eine Hand auf meine verkrampften Finger. Meine Klauen wollten sich zeigen.
»Ja, ich denke schon«, murmelte ich zwischen
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