Fluch der Engel: Roman (German Edition)
passieren – Monster nicht.
Mit einem Augenbrauenheben registrierte Aron, dass ich mit Tiefluftholen meine aufziehende Übelkeit bekämpfte. Jedes Mal, wenn ich ein mit dieser Art Engelsmagie gesichertes Gebäude passierte, versagte mein Kreislauf. Vielleicht war mein Dämonenanteil doch ein wenig zu groß.
»Um Engelsmagie verweben zu können, müsst ihr sie zuvor verdichten. Und damit ihr lernt, wie das funktioniert, lautet eure erste Aufgabe für den heutigen Abend, die Engelsmagie zu erspüren, die Aron und ich zwischen den Bäumen zusammenziehen werden. Bitte hebt die Hand, sobald ihr ein Leuchten erkennen könnt«, beendete Oktavian den theoretischen Teil seines Unterrichts.
Gemeinsam mit Aron begann er kurz darauf mit dem Verdichten. Wie die beiden das machten, blieb mir ebenso verborgen wiedie Engelsmagie. Für mich standen Oktavian und Aron einfach nur inmitten der Allee und beobachteten Luft.
Bevor Aron zu Oktavian hinübergegangen war, hatte Oktavian uns noch geraten, es auch mal mit Zuhören zu versuchen. Also schloss ich die Augen und konzentrierte mich auf die Geräusche, die mich umgaben: auf das Tuscheln meiner Mitschüler, auf ihren Atem. Auf die alten Baumriesen, zwischen denen wir standen.
Ein Schrei im angrenzenden Wald ließ mich zusammenzucken. Ein Nachtvogel auf Beutejagd – oder ein Moorirrlicht. Ich verdrängte den Gedanken und lauschte wieder den leisen Geräuschen, die mich umgaben. Mein Herzschlag verlangsamte sich, passte sich dem Rauschen der Bäume an. Und plötzlich offenbarte sich mir das Geheimnis der Engelsmagie: ein sanftes Pulsieren, kaum wahrnehmbar und dennoch allgegenwärtig.
Ich hielt den Atem an und öffnete die Augen. Winzige Sterngebilde überzogen die Allee mit einem irisierenden Glanz. Vereinigt durch ein unsichtbares Band pulsierten sie gemeinsam in einem magischen Takt, den auch ich in mir spüren konnte. Ich verbarg meine Euphorie. Außer mir schien bislang niemand etwas bemerkt zu haben. Und mich als Erste zu outen, hielt ich für keine besonders gute Idee.
Endlich hob sich eine Hand. Markus, einer der ängstlichsten Engel, die ich kannte, streckte vorsichtig seinen Arm in den Himmel. Ich entschied mich, mit dem Melden noch zu warten und stattdessen dem beeindruckenden Lichtspiel ein wenig länger zu folgen. Schließlich schloss ich die Augen und vergaß die Zeit, weil meine Gedanken bei Christopher waren. In denselben Farben wie Engelsmagie leuchteten seine Flügel, wenn er mich darin einhüllte.
»Deine Versprechen sind nicht viel wert, wenn du wegschaust.« Aron stand vor mir.
»Das habe ich nicht. Die Himmelslichter leuchten genau wie Christophers Flügel«, erklärte ich mit belegter Stimme.
Aron nickte. »Ich habe gehofft, dass du sie so sehen würdest. Dann wird es für dich einfacher, Engelsmagie zu verweben.«
Doch anstatt mich, wie die anderen, eine Engelswaffe erschaffen zu lassen, verdammte Aron mich zum Zuschauen. Warum, verriet er mir nicht. Vielleicht, weil ich dazu meine Engelsgestalt hätte annehmen müssen.
Meine Konzentration verabschiedete sich schnell. Die Himmelslichter verschwanden mit ihr. Frustriert kaute ich auf meiner Unterlippe, während ich vergeblich das Pulsieren herbeisehnte. Schließlich unterbrach Aron mein fruchtloses Bemühen.
»Was ist dein Problem?«
»Nichts, ich …«
»Lynn!« Arons Stimme wurde eindringlich. »Vielleicht kannst du den Bäumen etwas vormachen, mir allerdings nicht. Also spuck aus, was dir auf dem Herzen liegt.«
Ich seufzte ergeben. Aron wollte mir helfen. Das hatte er auf dem Burghügel unmissverständlich klargestellt. Aber das konnte nur funktionieren, wenn ich bereit war, mich mehr auf ihn einzulassen als bisher.
»Vor ein paar Stunden hast du mir dein Engelsschwert entgegengestreckt, weil du dir sicher warst, dass ich dir kein Haar krümmen werde. Hast du jetzt auf einmal Angst, ich könnte zu einem Berserker mutieren? Bin …« Ich stockte. Die Wahrheit zu erfahren war nicht immer leicht. »Werde ich zu einem … einem unkalkulierbaren Risiko, sobald ich eine eigene Waffe webe, weil ich ein Racheengel bin?«
Aron grinste. » Das würde ich verhindern. Aber heute hast du mehr gelernt als in den letzten Wochen. Es genügt mir, wenn du dich aufs Zusehen beschränkst und nur ein wenig an deiner Konzentration arbeitest.«
Ich nickte und behielt meinen Frust für mich. Mit dem Wissen, woraus Engelsmagie bestand, würde ich Sanctifer niemals besiegen.
»Doch wenn du unbedingt noch ein wenig
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