Fluch der Engel: Roman (German Edition)
der Schwertmeister ein ums andere Mal ins Leere laufen.
»Was auch immer dich aus dem Konzept gebracht hat: Jetzt bist du hier und hast dich zu konzentrieren! Aber vielleicht muss ich dir das weniger schonend beibringen«, warnte Ekin, als sein Ovoostock auf mich zusauste. Kurz bevor er schmerzhafte Spuren hinterlassen konnte, brach Ekin den Angriff ab.
Aron mischte sich ein. Er war mit seiner Weisheit am Ende.
»Lynn, vergiss nicht, dass du nicht nur für dich kämpfst. Dein Versagen zieht die Niederlage anderer mit sich«, versuchte er, mich zu motivieren. Was er damit sagen wollte, war klar: Christopher war so gut wie tot, wenn ich es nicht schaffte, mich zusammenzureißen – allerhöchstens …
Erneut drängte sich mir der Gedanke auf, dass der Pakt ohne mich hinfällig wäre. Aron hatte mir auf eindringliche Weise erklärt,welche Konsequenzen mein Ableben nach sich ziehen würde. Doch inzwischen war ich mir nicht mehr so sicher, was schlimmer war: eine potentielle Bedrohung der bestehenden Engelshierarchie, weil Sanctifer vielleicht meinen Nachfolger ausbilden würde, oder dass Christopher nicht mehr aus seinem Schatten zurückfinden würde, wenn ich versagte.
Natürlich bemerkte Aron, als ich den Rest des Nachmittags mit ihm und seinen Verknotübungen auf dem alten Burghügel verbrachte, dass ich mit meinen Gedanken ganz woanders war. Kurz vor Einsetzen der Dämmerung gab er auf. Warum es mir nicht gelang, hinter seinen Sekundenschlaftrick zu kommen, wussten wir beide.
»Bleib hier und denk über deine Probleme nach. Vielleicht gelingt es dir besser, dich auf deine Aufgaben zu konzentrieren, wenn du das ein oder andere gelöst hast«, befahl er mir, bevor er den Lindenkreis verließ.
Ich verbarg meinen Kopf hinter den Knien. Am liebsten hätte ich mich ein paar Meter tiefer im Verlies verkrochen. Meine Probleme waren unlösbar: Als Racheengel war ich die totale Fehlbesetzung – und daran würde auch Arons Training nichts ändern.
Als er mich später erneut in meine Traumwelt schickte, klammerte ich mich an Christophers Abbild. Es war mir egal, dass er nur in meiner Phantasie bei mir war. Ich brauchte ihn. Arons Gedankenklaps ignorierte ich. Zu wissen, dass es ihn gab, tröstete mich. Aron setzte nach. Ich verbiss mich nur noch fester in meinen Traum. Schließlich nahm er einen Ovoostab zu Hilfe.
»Wenn du ihn umbringen willst, kannst du das auch einfacher haben!«, herrschte er mich an. »Geh zu ihm und bitte ihn, deine Schuld zu begleichen. Dann musst du nicht länger mit mir hier rumsitzen.« Aron stand auf und trat aus dem Baumkreis. Ich überholte ihn und verstellte ihm den Weg.
»Aron, bitte! Geh nicht!«
»Nenn mir einen Grund, nur einen einzigen, der mich davon überzeugt, dass du an dir arbeitest.«
Ich schwieg. Auf die Schnelle fiel mir keiner ein, und Fortschritte konnte ich auch keine auflisten. Aron drängte sich an mir vorbei. Ich packte seinen Arm und hielt ihn fest.
»Bitte, Aron. Du machst das nicht für mich, sondern für Christopher. Lass ihn nicht im Stich. Er hat das nicht verdient« – ich dagegen schon.
Aron erriet meine Gedanken. Enttäuschung spiegelte sich in seinen Zügen. Ich ließ ihn los.
»Warum glaubst du, weniger wert zu sein als Christopher? Weil er erfahrener ist als du? Weil du denkst, er wäre mächtiger?«
»Weil … weil er ein richtiger Racheengel ist«, presste ich hervor.
»Und du? Nur ein halber?« Arons Stimme bebte.
»Nein. Ein Fauxpas, ein Fehler«, flüsterte ich.
»Dann sollten wir den Fehler schnellstens aus der Welt schaffen.«
Aron schubste mich auf den Burghügel zurück.
»Zeig mir deine Flügel!«, befahl er in gebieterischem Ton. Offenbar war Aron zum gleichen Ergebnis gekommen wie ich und hatte seine Meinung geändert. Christopher zu verlieren wog die Gefahr, dass Sanctifer die Genehmigung erhielt, sich um meinen Nachfolger zu kümmern, allemal auf.
Trotz der Angst, die plötzlich in mir erwachte, fiel es mir erstaunlich leicht, meine Schwingen auszubreiten. Ich würde mein Leben für Christopher geben, für den Engel, den ich über alles liebte.
Ich schloss die Augen. Aron ins Gesicht sehen, während er mir meine Seele raubte, wollte und konnte ich nicht. Doch Aron ließ nicht zu, dass ich mich verschloss.
»Wer bereit ist, andere ins Verderben zu ziehen, sollte sich vor dem Tod nicht fürchten. Öffne die Augen und sieh mich an!«
Mein Atem stockte. Mit ausgebreiteten Flügeln kniete Aron in seiner Engelsgestalt vor mir.
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