Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Schmerz kroch meinen Rücken entlang, als ich – viel zu spät – zur Seite sprang. Entsetzt biss ich die Zähne zusammen. Susan stand schon wieder über mir. Ihre Augen funkelten gefährlich. Alle Sanftmut, mit der sie mir die Anfangszeit im Schloss der Engel erleichtert hatte, war verschwunden.
Ich riss mich zusammen und ignorierte das Feuer zwischen meinen Schulterblättern. Höchste Zeit, Susan zur Vernunft zu bringen. Ihr Angriff würde ein Nachspiel haben, falls uns jemand bemerken sollte – was ich unbedingt vermeiden wollte. Noch mehr Feinde brauchte ich nicht.
»Was habe ich dir getan, das dich vergessen lässt, dass in dir viel mehr von einem Engel steckt als in mir?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Susans Schwert richtete sich auf mein Herz.
Ich wich zurück und umrundete sie mit genügend Abstand, um einem weiteren Hieb zu entkommen.
»Racheengel haben es nicht so mit Nachdenken«, wiegte ich sie in Sicherheit, bevor meine Falle zuschnappte. »Wir handeln lieber«, zischte ich ihr ins Ohr, eine Hand an ihrer Kehle. Mit der anderen packte ich ihren Schwertarm und drückte zu.
Meine Taktik ging auf. Susan ließ ihre Waffe fallen. Noch bevor sie den Boden berührte, löste sich die Verbindung zwischen den Energiepartikeln in einem funkelnden Sterngebilde auf, das in der Dunkelheit verglühte. Abgesehen von dem verzögerten Ausweichmanöverund dem Schnitt auf meinem Rücken wäre Aron stolz auf mich gewesen.
»Jetzt, da wir wieder vernünftig miteinander reden können, wird es dir sicher nicht schwerfallen, mit der Wahrheit herauszurücken.«
Langsam begriff Susan, wen sie sich zum Feind gemacht hatte. Furcht zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, die ich lieber nicht bemerkt hätte. Vielleicht sollte ich sie in Ruhe lassen – aber damit wäre weder ihr noch mir geholfen.
»Die Wahrheit?«, krächzte sie unter meinem Würgegriff hervor. » Du willst die Wahrheit wissen?«
Ich nickte und lockerte meinen Griff.
» Du hast mir alles genommen, was mir etwas bedeutet hat: meine Freunde, meine Brüder und meine Eltern«, spie Susan ihre Verzweiflung hervor. »Deinetwegen musste ich sterben, damit du meinen Platz im Internat einnehmen konntest. Ohne dich würde ich in ein paar Wochen mein Abitur machen und nach Hause zu meiner Familie zurückkehren, studieren oder mir vielleicht die Welt ansehen.« Bittere Tränen sammelten sich in Susans Augen, doch sie war noch nicht am Ende ihrer Aufzählung.
»Du hast mir all meine Träume gestohlen. Doch einem habsüchtigen Wesen wie dir scheint es ja nichts auszumachen, das Leben eines anderen zu zerstören. Aber wenn du Aron denselben Schmerz zufügst wie mir, werde ich Markus beim nächsten Mal nicht aufhalten, wenn er der Beobachterin des Rats erzählen will, dass du ihn ins Verlies verschleppt hast. Beim nächsten Mal werde ich es sein, die dich deinen Feinden ausliefert.«
Ich ließ Susan los. Als wäre der Teufel hinter ihr her, flüchtete sie über den kurzgemähten Rasen in die Sicherheit des Schlosses. Sie hasste mich, und im Grunde konnte ich ihr das kaum verübeln. Sie war in Aron verliebt. Unglücklich verliebt. Entweder weil er ihre Gefühle nicht erwiderte oder weil er sich ihr gegenüber verschloss.
Ein mieses Gefühl breitete sich in mir aus. Wies er Susan meinetwegenzurück? Weil er sich ausschließlich um mich zu kümmern hatte? Dann hätte ich nicht nur ein Leben gestohlen, sondern auch Susans Träume zerstört.
Ich beschloss, Susan erst mal in Ruhe zu lassen und den Zwischenfall für mich zu behalten. Bis morgen war der kleine Kratzer auf meinem Rücken sicher wieder verschwunden. Schließlich heilten die Wunden von Engeln schneller als die von Menschen.
Schon unter der Dusche kamen mir die ersten Zweifel. Ein stechender Schmerz raste meinen Rücken hinab, als ich das Wasser aufdrehte. Haltsuchend taumelte ich gegen die Wandfliesen. Der Schnitt war wohl doch nicht so harmlos.
Mit der Faust zwischen den Zähnen unterdrückte ich einen weiteren Schrei und kletterte aus der Brause. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich um eine Dusche nicht herumkommen würde. Der rötliche Dunst, der aus der Wunde gesickert war, klebte an meinem Rücken wie eine zweite Haut. Blut war das nicht – zumindest kein menschliches.
Unter der Dusche erreichte ich den Rand meiner körperlichen Leidensfähigkeit. Mit zusammengebissenen Zähnen und Tränen in den Augen hockte ich in der Duschwanne und ließ Wasser auf meinen Rücken herabtröpfeln, das
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