Fluch der Leidenschaft
ist, deshalb muss ich ihm beistehen, so gut ich kann.«
Der Mönch zuckte die Achseln und ging. Imogen setzte sich zu dem Sterbenden. Die auf dem Boden ausgestreuten Kräuter konnten den Geruch von Fäulnis und Tod nicht überdecken, aber irgendwie war ihr das gar nicht unrecht. Sie würde hier wachen, auch weil sie dies am Sterbebett ihres Vater nicht hatte tun können.
Man hatte sie während Lord Bernards kurzer Krankheit nicht zu ihm gelassen, sondern ihr immer nur versichert, alles sei in Ordnung. Erst am Ende hatte sie ihn sehen dürfen. Ihr Vater war gebadet und gewaschen worden, und sein Gemach hatte stark nach Duftessenzen gerochen, aber all das hatte seinen Todeskampf und Verfall nicht verbergen können.
Er hatte ganz ähnlich ausgesehen wie Bert – ein ehemals kräftiger Mann, geschrumpft zu einem blässlichen, leidenden Klumpen Fleisch. Nachdem er ihr keuchend einige Anweisungen gegeben hatte, war sie aus dem Raum gescheucht worden. Damals – es kam ihr vor wie in einem anderen Leben – hatte sie nicht die Durchsetzungskraft besessen, sich dagegen zu wehren.
Imogen nahm das Tuch zur Hand und betupfte Stirn und Hals des Mannes. »Wenn ich noch einmal vor der Entscheidung stünde, Bert«, sagte sie, »ich wüsste nicht, ob ich viel anders machen könnte, aber ich würde da oben im Wald bleiben, bis wir Nachricht bekämen, dass alles sicher ist.« Sie legte das Tuch in die Schüssel zurück und ergriff Berts große, schwielige Hand. Ein sechster Sinn sagte ihr, dass er sie hören könnte.
»Weißt du überhaupt, dass alles gut ausgegangen ist? Warbrick ist natürlich davongekommen, und er hat die Burg in einem schrecklichen Zustand hinterlassen, aber Lord FitzRoger hat viel getan, um alles wieder herzurichten, und jetzt liegt es an mir, mich weiter darum zu kümmern. Das hätte ich von Anfang an machen sollen, aber ich bin so etwas eben nicht gewöhnt, und das ist die Wahrheit …«
Sie verlor sich in ihren eigenen, sorgenbeladenen Gedanken, doch plötzlich bewegte sich Berts schlaffe Hand, als wolle er die ihre drücken. Sie blickte in sein Gesicht; es zeigte nichts als die Schwere des Leids und des herannahenden Todes, und sie hörte seine gequälten, keuchenden Atemzüge.
Sie fuhr mit ihrer Geschichte fort. »Weißt du eigentlich, dass wir geheiratet haben und dass der König zu uns gekommen ist …?«
14
Am späten Nachmittag dieses Tages schritt FitzRoger über den Klosterhof zum Krankenzimmer und spielte dabei mit seinen Falknerhandschuhen. Es war nicht gerade ein guter Tag für ihn gewesen.
Er hatte mit Henrys Ärger über das fehlende Blut auf dem Laken des Hochzeitsbetts fertig werden müssen – es wäre so einfach gewesen, wenn man es Lancaster einfach unter die Nase hätte halten können – und dabei die ganze Zeit im Kopf gehabt, dass seine unberechenbare Braut die Wahrheit mit einem einzigen Wort aufdecken konnte. Zudem war ihm klar gewesen, dass er sie nicht den ganzen Tag mit dem Grafen hätte allein lassen sollen, hatte sie für den eleganten älteren Herrn doch durchaus Interesse gezeigt. Zweifellos erinnerte er sie an ihren geliebten Herrn Papa.
Von Vätern hatte FitzRoger keine allzu hohe Meinung.
Ferner musste er sich fragen, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Warum hatte er dem Mädchen nicht einfach die Unschuld geraubt und die ganze Sache auf diese Weise geregelt? Bestimmt weinten und kämpften viele behütet und verzärtelt aufgewachsene Bräute bei dieser Gelegenheit, aber sie beruhigten sich auch bald wieder. Vielleicht verkrampften sich viele von ihnen so, dass es ohne Gewalt gar nicht ging.
Aber gleichzeitig wusste er, dass er sich in derselben Situation wieder genauso verhalten würde.
Und das verwirrte ihn.
Gott sei Dank, ahnte Henry nicht die Wahrheit; er hätte ihn sonst womöglich mit vorgehaltener Waffe gezwungen, die Ehe mit Imogen zu vollziehen, oder als Herrscher das Recht der ersten Nacht eingefordert und es selbst getan. Wenn es um seine Ziele ging, dann war Henry nicht gerade zimperlich.
Doch der König war zu Recht darüber ungehalten gewesen, dass FitzRoger die Laken nicht wenigstens nachträglich befleckt hatte. Das war in der Tat ein ärgerliches Versäumnis. Imogen von Carrisford schien ihm komplett den Verstand geraubt zu haben.
Und was in aller Welt hatte sie jetzt wieder vor?
Er war mit dem König von einer unbefriedigenden und anstrengenden Jagd zurückgekehrt und hatte als Erstes die Nachricht erhalten, dass Imogen im Kloster
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