Fluch der Leidenschaft
nämlich so schnell wie möglich auszureiten, um sich auf die Suche nach FitzRoger zu machen.
Sie zwang sich zur Ruhe und machte sich wieder an ihre Verwaltungsarbeit.
Mit Mühe schaffte sie es, alle Gedanken an Mord und Verrat zu vertreiben, doch das Wissen, dass sie sich in einem Zustand schlimmster Sünde befand, ließ sich nicht auslöschen. Sie hatte einen falschen Eid auf das Kreuz geleistet.
Anfangs war sie noch so erregt, dass sie die Unterlagen und die Kerbhölzer gar nicht richtig verstand, doch mit der Zeit fasste sie sich. Zusammen mit Siward und Bruder Cuthbert ging sie alles durch, froh darüber, etwas zu tun zu haben.
Doch sie leistete keine gute Arbeit, denn der Gedanke an ihren Schwur ließ sie nicht los. Von einem Meineid konnte einfach nichts Gutes kommen. Aber was hätte sie sonst tun sollen?
»Vielleicht ist das ein bisschen zu viel für Euch, Lady Imogen«, meinte Bruder Cuthbert in aller Freundlichkeit.
Imogen zwang sich zur Konzentration. Sie wollte sich um Vergebung bemühen, aber nicht bei Father Wulfgan. Zu ihrer eigenen Verblüffung traute sie ihm nun nicht mehr, da zwischen ihm und Lancaster offensichtlich ein Bündnis bestand. Dieses Bündnis und sein fanatischer Hass auf FitzRoger machten die Situation gefährlich.
Und sie erkannte darüber hinaus schaudernd, dass sie ihre Sünde gar nicht beichten konnte, solange die Ehe nicht vollzogen war. Man würde von ihr eine Richtigstellung erwarten, indem sie öffentlich die Wahrheit sagte. Das konnte sie nicht tun.
Heilige Jungfrau Maria, hilf mir, betete sie stumm.
»Lady Imogen«, unterbrach Siward ihre Gedanken, »seid Ihr mit dem Kauf neuer Wandbehänge einverstanden?«
»Wie bitte?« Imogen zwang sich zu einer Entscheidung. »Ah, ja. Und schickt jemanden nach London, vielleicht gibt es dort welche wie die, die wir aus Italien hatten.«
»Das wird aber sehr teuer, Lady.«
»Wir können es uns leisten. Ich möchte, dass Carrisford wieder schön wird.«
»Vielleicht sollten wir zuerst Lord FitzRoger fragen …«
»Nein«, erklärte Imogen fast gekränkt. »Ich regiere in Carrisford, und ich entscheide, wie mein Reichtum verwendet wird.«
Sie bemerkte, wie die beiden Männer einen Blick austauschten, und sah Probleme auf sich zukommen. Fast hätte sie klein beigegeben, denn verglichen mit den wirklichen Problemen, die ihr Leben überschatteten, war dies unbedeutend. Aber sie tat es nicht.
Sie wandte sich wieder den Unterlagen zu.
Zum Glück hatte Siward es geschafft, die Geschäftsbücher und Kerbhölzer wie auch die Truhe mit den Urkunden und Dokumenten vor Warbrick zu verstecken. Imogen hatte gelernt, mit derlei Dingen umzugehen; sobald es ihr gelang, sich zu sammeln, erkannte sie ohne Schwierigkeiten, was in geschäftlicher Hinsicht seit dem Tod ihres Vaters alles geschehen war.
Keine ungewöhnlichen Vorkommnisse. Es fand sich kein Hinweis darauf, dass FitzRoger Geld für sich entnommen hätte, aber mehrere dafür, dass er Benötigtes bezahlt hatte. Imogen hielt diese Beträge sorgfältig fest. Sie überprüfte Siwards Liste der Dinge, die für die Haushaltsführung zu besorgen waren, und beschloss, auch von den anderen mit Verwaltungsaufgaben Betrauten solche Listen anzufordern. Bienenwachs und Besenstiele, Salz und Zimt; sie mussten fast alles neu kaufen.
Sie rechnete aus, wie viel Geld Siward für dringende Ausgaben brauchen würde, und bezog die Lieferungen mit ein, die von Einheimischen kamen – Wolle, Milchprodukte, Geflügel und so weiter. Nach einiger Überlegung addierte sie noch das Geld dazu, das sie FitzRoger schuldete. Es war besser, wenn Siward es ihm zurückzahlte.
Für die unmittelbaren Ausgaben würde sie fast alles Geld benötigen, das sie heute aus der Schatzkammer geholt hatte.
Schließlich und endlich war alles durchgesehen, und sie hatte das Gefühl, die Geschäfte nun in die Hand nehmen zu können. Sogar die Unterlagen über ihre Halbgeschwister hatte sie eingesehen, obwohl Siward versucht hatte, diese vor ihr zu verstecken. Es freute sie zu wissen, dass in der Familie eines Händlers gut für sie gesorgt wurde. Ob Imogen noch mehr für sie tun sollte, würde sie erst irgendwann später entscheiden können.
Es beunruhigte sie jedoch, dass ein so wichtiger Teil aus dem Leben ihres Vaters vollkommen vor ihr verheimlicht worden war. Sie hatte gedacht, zumindest zwischen ihr und Lord Bernard habe immer absolute Ehrlichkeit geherrscht.
Was war Illusion, was Wirklichkeit?
Nach Beendigung der Arbeit
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