Fluch der Leidenschaft
geglaubt, er werde sich zu seinen liebevollen Gefühlen für sie bekennen. Aber das war wohl nur auf seine Verwundung zurückzuführen gewesen.
Unglücklich wandte sie sich dem Zustand ihrer Kleidung zu. Der Rock war in Fetzen, das Unterkleid fehlte an einer Seite, wo sie Stoff für den Verband herausgeschnitten hatte, sogar ganz.
»Es kommt mir vor, als wäre ich seit Wochen nicht mehr anständig gekleidet gewesen«, murrte sie.
»Mit Gottes Gnade wirst du bald wieder dein gewohntes Leben führen können.«
In Wahrheit kümmerte es sie nicht allzu sehr, ob sie ihr Leben als verhätschelte junge Dame zurückbekommen würde – tatsächlich wollte sie es gar nicht mehr.
Sie wollte FitzRoger. Sie wollte den Kampf und die Herausforderung, die Küsse und die Leidenschaft. Sie wollte sogar die Gefahr, die Aufregung, die ihr Blut in Wallung geraten ließ. Kleider waren ihr vollkommen gleichgültig, ebenso Wandbehänge oder Gärten.
Aber sie erwiderte: »Gut. Was unternehmen wir wegen Lancaster?«
»Wir schicken ihn hoffentlich bald zu Henry und schützen uns zukünftig gut.« Er warf ihr einen schnellen Blick zu. »Sobald du schwanger bist, sind seine Krallen nutzlos.«
Das war zweifellos der einzige Grund, weshalb er überhaupt mit ihr ins Bett wollte – um sie voll und ganz zu seinem Eigentum zu machen und sie zu schwängern. »Warum kannst du Henry nicht sagen, was der Graf beabsichtigt hat?«
»Das werde ich, aber ohne einen Beweis kann er nichts tun, und ich denke, einen solchen zu finden wird schwer sein. Der Hauptverdächtige wird Warbrick sein, trotz aller ungeklärten Fragen, und es kommt Henry nicht ungelegen, wenn er weitere Gründe geliefert bekommt, um gegen ihn und Belleme vorzugehen. Du kennst den Weg von hier nach Carrisford?«
»Ja.«
»Wie weit ist es?«
»Nicht weit. Vielleicht sechs Meilen, aber wenn wir in den Wäldern bleiben, wird es wohl etwas dauern. Auf der Straße zu reiten wäre einfacher, aber …«
»Nein. Wir reiten durch den Wald, dort sind wir sicher.«
Es war später Vormittag, als sie die Höhle verließen. Die kräftige Wärme draußen war fast wie ein Schock. Alles schien friedlich und normal, doch sie sahen sich ihre Umgebung genau an.
»Was haben sie wohl getan, nachdem sie uns verloren haben?«, fragte Imogen.
»Das ist die Frage. Ich vermute, zumindest einige von ihnen haben sich zwischen hier und Carrisford postiert und hoffen darauf, uns abzuschießen.«
» Dich abzuschießen«, korrigierte sie verkniffen.
»Ja.« Er sah sie gedankenschwer an. »Imogen, ich wünsche mir nicht zu sterben, schon gar nicht ausgerechnet jetzt, aber ich habe bereits vor Jahren gelernt, dass es keinen Zweck hat, sich darüber Sorgen zu machen.«
»Es wäre schön zu sehen, dass du dir einmal über irgendetwas ernsthafte Sorgen machst!«, konterte sie scharf.
Er lächelte verhalten. »Es macht mir Sorgen, dass ich sterben könnte, ohne dich voll und ganz zu meiner Frau gemacht zu haben.«
»Wir könnten wieder in die Höhle zurückgehen …«
Er lachte; ja, er lachte wirklich. »Hab Mitleid mit mir, Weib. Das würde bedeuten, dass ich meine Rüstung wieder ablegen müsste.« Er begann, sein Pferd den Hang hinabzuführen. Imogen folgte ihm. Sie wünschte, sie würde ihn verstehen. Sie hatte ihn noch nie so lachen sehen.
Dieser Mann konnte sie in der Tat wahnsinnig machen, aber er war so faszinierend, dass sie ihr Leben lang mit ihm zusammen sein wollte.
Ein langes Leben lang, fügte sie hastig hinzu und fing an zu beten.
Sie befand, dass sie alle Hilfe brauchten, die der Himmel anzubieten bereit war, und hatte ihre bevorzugten Heiligen zur Hälfte durch, als er plötzlich anhielt.
»Was ist?«, flüsterte sie und unterbrach ihr Gebet an die heilige Adelaide.
»Wir werden kurz in freies Gelände kommen. Ich will mich umsehen.«
Imogen musste daran denken, wie sie Carrisford beobachtet hatten, und erzählte es ihm. »Ich dachte, du seist wie eine Burg«, sagte sie. »Kalt und hart.«
»Solange ich eine gute Burg bin …«
»Ist das alles, was für dich zählt?«
Sein Blick suchte weiterhin intensiv die Umgegend ab.
»Welchen Sinn hat das Leben, wenn nicht den, möglichst gut zu sein?«
»Du könntest auf einem anderen Gebiet gut sein als auf dem von Tod und Sterben.«
»Ich hoffe, ich bin gut im Überleben. Komm.«
Er ging weiter, auf die Bäume zu. Imogen folgte und wünschte sich, sie hätte ihrem Ärger nicht nachgegeben. Aber sie wollte, dass er mehr für sie war als
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