Fluch der Leidenschaft
hatte sie noch Prellungen und Wehwehchen, doch ihr fehlte nichts, mit dem sie nicht fertig werden konnte.
»Ihr könnt aber noch keine Schuhe anziehen«, meinte Martha etwas selbstgefällig.
»Besitze ich denn überhaupt noch welche?«, fragte Imogen.
Einige wenige Paare waren ihr geblieben. Die seidenen Hausschuhe waren zwar verschwunden, doch die Lederschuhe zu zerstören war offenbar zu schwierig gewesen. Allerdings stellte sich heraus, dass Martha recht hatte; Imogen konnte sie nicht anziehen.
»Dann gehe ich eben barfuß«, erklärte sie.
»Mylady!«
»Kein Wort mehr!«, befahl Imogen. »Ich weigere mich, hier in meiner eigenen Burg zu sitzen und darauf zu warten, dass mich jemand herumträgt wie ein Baby. Und jetzt«, fuhr sie fort, »sehen wir nach, ob ich noch Kleider habe, die ich anziehen kann.« Sie war entschlossen, sich vor den Menschen ihrer Burg als die Herrin zu präsentieren.
Als Erstes ließ sie sich von Martha gründlich die Haare waschen, dann, als das Licht des Tages stärker wurde, ging sie mit der Magd ihre verbliebene Garderobe durch. Beim Anblick ihrer wunderschönen, nun zerfetzten Lieblingskleider hätte sie fast geweint. Aber auch diese Schwäche wollte sie sich nicht erlauben. Zumindest ein paar würde man noch reparieren können.
Martha und Imogen machten sich an die Arbeit, und schon bald waren einige der Kleider wieder adrett und sauber, wenn nicht sogar so elegant und schön wie früher.
Imogen war froh, als sie ihre ausgeliehenen groben Sachen endlich ablegen und ein feines Unterkleid und darüber ein gelbbraunes, am Ausschnitt und am Saum mit Goldfäden verziertes Leinenkleid anziehen konnte. Darüber trug sie eine leichte Tunika aus rostroter Seide mit weißen und roten Bändern an Saum, Ärmeln und Ausschnitt. Ihre mit Edelsteinen besetzten Gürtel waren alle weg; deshalb schnitt sie aus einem zerfledderten braunen Kleid aus schwerem, mit Gold durchwirktem Seidenstoff eine Schärpe und band sie sich um die Hüfte.
Die glänzende Seide bauschte sie darüber elegant auf.
»Nun«, sagte sie triumphierend. »Sehe ich jetzt nicht aus wie die Herrin von Carrisford?«
»Wirklich, das tut Ihr«, ertönte eine spöttische Stimme.
Imogen drehte sich um und sah sich Bastard FitzRoger gegenüber, der sie eingehend musterte.
6
Wenn sie aussah wie die Lady, dann sah er gewiss aus wie der Lord. Woher hatte er so feine Kleider bekommen? Versuchte er absichtlich, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen?
Er lehnte am Türpfosten und hatte die Arme verschränkt. Seine Tunika war aus schwerer, dunkelgrüner Seide, fein mit Gold und Schwarz bestickt. Die Ärmel reichten bis zu den Ellbogen; an den Handgelenken trug er reich verzierte, goldene Armreifen. Sein Ledergürtel war mit Gold beschlagen, das Messer steckte in einer goldenen Scheide mit Gravuren. Und natürlich hatte er seinen schweren, goldenen Ring angesteckt. Zum ersten Mal sah er aus wie ein mächtiger Lord. Es ärgerte Imogen, dass sie keinen Goldschmuck tragen konnte, und sie schaute genau hin, ob er nicht am Ende etwas trug, das ihr bekannt war.
Nein, es schien alles ihm zu gehören.
Eine beeindruckende Schmucksammlung, unbekümmert getragen.
Doch in Carrisfords Schatzkästen fanden sich gleichwertige und sogar noch bessere Stücke; Imogen konnte es kaum erwarten, an sie heranzukommen und diesem Mann zu zeigen, wo sein Platz war. »Sobald ich den König erreiche«, sagte sie mit fester Stimme, »werde ich Klage gegen Warbrick erheben und meinen Schmuck zurückfordern.«
Ein träges Lächeln legte sein Gesicht in Falten. »Ich kann Euch etwas überlassen, wenn Ihr wollt.«
»Nein danke, mein eigener ist mir lieber.«
»Warbrick wird leugnen, Euren Schmuck entwendet zu haben.«
»Wie könnte er das tun? Das halbe Land wird meinen Schmuck erkennen, sobald er auftaucht.«
Er trat in den Raum. »Er wird ihn einschmelzen lassen. Wenn nötig, wird er ihn sogar ins Meer werfen. Nachdem Ihr ihn abgewiesen habt, wird er alles tun, damit er ihn nicht an Euch zurückgeben muss.«
Das war erschreckend, aber wieder spürte Imogen bei dem Gedanken, dass sie Warbrick einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte, einen glühenden Stolz. Es war ein harter Weg voll schwieriger Entscheidungen gewesen, aber sie war ihn gegangen. Nun musste sie nur noch ihre Eskorte loswerden – denn das war FitzRoger für sie –, und ihr Leben neu ordnen.
Ihre »Eskorte« wandte sich Martha zu, und auf eine Geste hin verließ die Magd mit einem
Weitere Kostenlose Bücher