Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
Wind frischte etwas auf und wehte ihm das bis über die Schultern reichende gelockte Haar ins Gesicht.
"Missversteht mich nicht! Jeder würde Euch dieses Vergnügen gönnen, selbst wenn es Euch vielleicht mit der Mission im Dienst der jungfräulichen Königin in Konflikt bringen könnte. Trotz der Männerkleidung, die diese junge Frau stets trug, wirkte sie, als wäre darunter einiges zu finden, das Euer Herz vielleicht höher schlagen ließ." Die Art, mit der sein Zweiter Offizier sich zu äußern wagte, gefiel Lord Cooper ganz und gar nicht. Unwillkürlich ballte er die Hände zu Fäusten. Aber dies war nun wirklich der schlechteste Zeitpunkt, um einen Ehrenhändel unter Gentlemen auszutragen.
Es ist deine eigene Schuld!, ging es ihm durch den Kopf. Du hättest vorsichtiger sein müssen. Außerdem solltest du immer und überall damit rechnen, dass der Hof seine Augen und Ohren selbst hier, weit draußen in den feuchtheißen Gewässern der Neuen Welt hat. Lord Coopers mächtiger Brustkorb hob und senkte sich. Vielleicht ist Naismith Auge und Ohr die der Königin oder einer ihrer Schranzen. Wer weiß?, überlegte er. Würde er es sonst wagen, derart selbstbewusst gegenüber seinem Kommandanten aufzutreten?
Einer der Piraten trat an die Reling.
Es war Ben Rider, der Erste Offizier der WITCH BURNING und Jeannets Stellvertreter.
"Warum zögert Ihr, Cooper?", rief er. "Unsere Kommandantin erwartet Euch!"
Naismith hielt ihn zurück.
"Wartet, Sire!"
"Weshalb?"
"Das ist eine Falle!"
"Für Eure Annahme gibt es keinen Anlass! Diese Piraten mögen Euch nicht gefallen, aber Ihr mögt Euch bitte daran erinnern, dass sie Verbündete Englands sind!"
"Von Jeannet ist weit und breit nichts zu sehen, Sire."
"Aye."
"Wahrscheinlich hat dieser Halsabschneider Ben Rider längst das Kommando übernommen und Jeannet den Haien zum Fraß vorgeworfen oder als Sklavin verkauft! Ihr wisst doch, wie käuflich diese Hundesöhne sind! Wenn Ihnen jemand ein paar Golddublonen mehr für ihre Dienste gibt, dann wechseln sie bedenkenlos die Seiten!"
Cooper lächelte dünn.
"Jeannet ist eine starke Kommandantin. Ich glaube nicht, dass sie sich so einfach im wahrsten Sinn des Wortes ausbooten lassen würde!" Cooper trat als erster auf die rutschigen Planken des Fallreeps, das beide Schiffe miteinander verband.
Naismith fluchte vor sich hin und folgte ihm zusammen mit einem halben Dutzend Bewaffneter.
Mehr als dieses Gefolge ließen die Männer der WITCH BURNING
allerdings nicht zu.
Die anderen schickten sie mit lautstarken Beschimpfungen zurück. Aber erst auf Coopers Zeichen hin gehorchten sie.
Ben Rider baute sich breitbeinig vor Lord Cooper auf.
Eine Hand umfasste den Degen, der Daumen der anderen klemmte hinter einem breiten Gürtel. Eine Filzklappe bedeckte Riders rechtes Auge. Er blickte abschätzig an Cooper hinunter und spuckte dann aus.
"Bringt mich zum Kapitän!", forderte Cooper.
"Folgt mir, Cooper. Aber Eure Männer bleiben hier an Deck." Naismiths Hand griff zum Degen.
"Was habe ich Euch gesagt, Sire!", stieß er erregt hervor. Der Zweite Offizier der SWORD FISH ließ seine Waffe allerdings stecken, als ein halbes Dutzend Harkebusen, Pistolen und Armbrüste plötzlich in seine Richtung zeigten.
"Es ist schon in Ordnung", erklärte Cooper an Naismith gerichtet. Er nickte Rider zu und folgte ihm unter Deck.
Sie stiegen eine schmale Treppe hinab. Die Bretter knarrten bei jedem Tritt. Anschließend ging es durch einen engen Korridor. Schließlich erreichten sie die Tür zur Offiziersmesse.
Rider klopfte.
"Lord Cooper ist hier!", rief er.
Eine helle, freudig erregte Stimme antwortete.
"Dann mag er hereinkommen!"
Lord Cooper hätte diese Stimme unter tausenden sofort erkannt. Zweifellos gehörte sie niemand anderem als Jeannet Harris, der gefürchtesten Piratin, die je die Gewässer der neuen und der alten Welt befahren hatte.
Die Tür öffnete sich knarrend.
Rider trat zur Seite.
Lord Cooper ging in die Kapitänskabine. Hinter ihm ließ Rider die Tür wieder ins Schloss fallen.
"Jeannet!", stieß Lord Cooper hervor.
Der Anblick, der sich ihm in diesem Augenblick bot, raubte dem großen, breitschultrigen Mann beinahe den Atem. Keine Piratin in Männerkleidern und einem breiten Waffengurt stand vor ihm, sondern eine bildhübsche junge Frau in einem grünweißen, mit kostbaren Stickereien besetzten Kleid, das die vollendeten Formen ihres weiblichen Körpers vorteilhaft betonte. Das rötliche, dichte Haar war
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