Fluch der Nacht: Roman
Eis, spinnt eure Netze aus feinstem Licht!
Die kleinen Spinnen krabbelten augenblicklich aus den Wänden, um munter tanzend ein endloses feines Netz aus durchsichtigen Eisfäden zu weben, das die Wände bedeckte und ihnen voraus über den Boden lief.
Spinnt und tanzt, umschließt und formt, sodass unsere Augen sehen und wir nicht zu Schaden kommen können.
Sogleich wurde der Stollen zu einer wunderschönen blauen, surrealen Welt aus Eis. Das permanent von oben herabsprühende Wasser hatte eine Lawine aus verschieden großen Eiskugeln geformt, sodass ein Wasserfall aus blauem Eis an den Wänden herabzufallen schien, obwohl die Eiskugeln in Wirklichkeit fest an den dicken Wänden saßen, von denen sie umgeben waren. Lara war gewöhnt an das knarrende Geräusch von Eis, das von donnerndem Getöse unterstrichen wurde, wenn der enorme Druck große Stücke aus der Wand herausschleuderte und sie auf die andere Seite oder auf den Boden warf.
Als sie an den dunkleren Löchern vorbeiging, bemerkte sie, dass die kleinen Eingänge ein ins Eis geschlagenes Labyrinth von Unterschlüpfen der Fledermausgemeinde waren. Durch einige der dicken Eisfenster konnte Lara Knochen, Haare und Blut von Kadavern sehen. Die Höhlenbewohner taten sich gütlich an ihrer Beute, lebten eine Weile von den Resten und schwärmten dann hin und wieder an die Oberfläche aus, um ein neues unglückseliges Opfer in ihren Unterschlupf zu schleppen. Was oder wer sich zu falschen Zeit zu nahe heranwagte, war leichte Beute.
Lara und ihre Freunde schwebten an einem nicht sehr breiten Vorsprung vorbei, der bogenförmig um das Innere des Rohrs verlief. Darunter hingen verschieden lange und große Eiszapfen, die alle in einer tödlichen Spitze endeten.
Die müssen wir abbrechen , gab sie Nicolas zu verstehen. Er wird sie gegen uns verwenden, und wir wollen doch gewiss nicht auf dem Boden erwischt werden, wenn sie uns entgegenfliegen .
Sofort echote ein Geräusch durch die Röhre, ein hoher Ton, der die Eiszapfen in Bewegung setzte. Einige zerbrachen, andere lösten sich und stürzten auf den mehrere Hundert Fuß tiefer liegenden Höhlenboden. Das Geräusch war laut – zu laut – und zu abrupt. Die Fledermäuse flogen gegen ihre Eingänge, was ein beängstigender Anblick durch das Eis hindurch war, aber Laras Zauber hielt. Die Fledermäuse brachen nicht durch die Barriere. Winzige Feuerspinnen krabbelten hastig an den Wänden herunter und setzten ihre seidenen Flammenfäden ein. Als die Fledermäuse aus den Löchern kamen und ihre Flügel wie Arme benutzten, um auf die glatte Wand hinauszukriechen, fielen die aus Feuer und Seide gewebten Netze über sie und verschlangen alle.
Ein übler Geruch durchdrang die Gletscherhöhle, und obwohl Lara nur gestaltloser Nebel war, wurde ihr schlecht von dem Gestank.
Nicolas nahm blitzschnell menschliche Gestalt an, schwenkte die Arme, um eine frische Brise zu erzeugen, und verwandelte sich wieder in Dunst, bevor etwas Herabfallendes ihn treffen konnte.
Danke schön.
Er schien immer alles zu bedenken, was zu ihrem Wohl war. Lara war ihm dafür aufrichtig dankbar, weil dieser Ort zu viele schreckliche Erinnerungen zurückbrachte. Sie musste sich innerlich dagegen wappnen, dass sie ihre Tanten tot vorfinden und sie so nach Hause bringen würde. Nicht einmal als Leichname sollten sie Gefangene bleiben, nachdem sie schon ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht hatten.
Der Höhlenboden war jetzt dicht unter ihr, und einen Moment verharrte sie, um sich die Aufteilung anzusehen, besonders dort, wo der Raum sich verbreiterte und in ein Labyrinth von Stollen überging. Sie ließ sich Zeit, weil sie nicht die kleinste Spur schwarzer Magie übersehen wollte, die einen Angriff ankündigen könnte. Dies war Xaviers privates Reich. Sie erkannte die hohen Decken und das Netzwerk aus Lavatunneln, die zu verschiedenen Räumen führten, in denen er seine scheußlichen Experimente durchführte.
Wir haben Glück. Dies ist ausschließlich Xaviers Domäne. Der gesamte Berg ist ein Labyrinth von Tunneln und Kammern, und wir haben entweder unglaubliches Glück gehabt oder waren einfach nur verrückt genug, seinen ganz privaten Unterschlupf zu finden.
Ihre Stimme zitterte, und sie zog sich ein wenig zurück, um ihre Emotionen besser in den Griff zu bekommen. Sie hatte nicht bedacht, was es bei ihr bewirken würde, in Xaviers Nähe zu sein. Er war überall, und alles trug seine Handschrift. Sein Geruch erfüllte sie mit Schrecken. Er
Weitere Kostenlose Bücher