Fluch der Nacht: Roman
auf. »Siehst du, was Xavier ihm angetan hat?«
Er war übersät mit Narben. Mit furchtbaren Narben an Nacken und Kehle, an Armen und Brust, an Handgelenken und sogar an den Beinen. Die mit Vampirblut beschmierten Kettenglieder hatten die Abdrücke in seine Haut gebrannt – in karpatianische Haut, die eigentlich keine Narben bildete.
Natalya holte schluchzend Luft. »Er entstammt der Familie der Drachensucher und würde niemals zum Vampir werden. Das hätte ich wissen müssen und ihm glauben sollen. Stattdessen aber habe ich versucht, ihn umzubringen.«
Das Hologramm fuhr fort: »Ich bitte dich, meine Tochter zu suchen. Sie ist dir sehr ähnlich. Tatijana und Branislava haben sich bereit erklärt, ihr bei der Flucht zu helfen. Ich habe ihnen jedoch klargemacht, dass sie mir ihre Pläne nicht verraten dürfen. Xavier ergreift immer noch gern Besitz von meinem Körper, und ich fürchte, dass er ihren Plan entdecken wird, wenn er es tut, und wir die kleine Lara dann nicht mehr hier herausbekommen würden. Ich konnte auch nicht riskieren, Lara zu viel wissen zu lassen, denn falls Xavier ein Verdacht käme, würde er sie foltern, bis sie ihm alles verrät.«
Razvan hing in seinen Ketten, die ihm tief ins Fleisch schnitten, und die langen verfilzten Haarsträhnen fielen ihm auf den nackten Rücken und die Schultern. Er war bemitleidenswert dünn. Selbst das Reden erschöpfte ihn ebenso wie die Magie, die er anwandte, um seine Botschaft an seine Schwester aufzuzeichnen. Er befeuchtete die aufgesprungenen Lippen, bevor er weitersprach.
»Xavier sorgt dafür, dass wir alle nahezu völlig ausgeblutet sind und schwach. Er benutzt mich dazu, einen Weg zu finden, die Karpatianer zu vernichten. Er versucht es mit allem, von Gift bis hin zu Parasiten. Xavier muss aufgehalten werden. Such den Prinzen auf und sag ihm, dass Xavier vernichtet werden muss! Aber such bitte zuerst meine Tochter, Natalya! Ihre Mutter war nicht meine Seelengefährtin, doch der Magier in mir hat sie sehr geliebt. Sie war wie Sonnenschein in einer Welt des Wahnsinns. Such Lara für uns und schenke ihr deine Liebe, Natalya! Es ist das Letzte, worum ich dich bitte.«
Er blickte nach links. Ein Schauder durchlief ihn, und seine Haut nahm eine graue Färbung an. »Er kommt mich holen, und ich werde durchhalten, solange ich kann, bis Lara ihm entkommen ist, und dann werde ich einen Weg finden, ihn zu zwingen, mich zu töten. Natalya, komm nie wieder hierher zurück und such mich nicht! Finde Lara und lass es gut sein.« Wieder wandte er den Kopf und sah jetzt alle direkt an.
Lara konnte seinen durchdringenden Blick bis in ihre Seele spüren. Die geistigen Qualen, die Razvan litt, waren weitaus schlimmer als jede körperliche Folter, die Xaviers krankes Hirn erfinden konnte. Lara merkte nicht einmal, dass sie schluchzte, bis Nicolas sie in die Arme nahm und an sich drückte.
»Ich habe ihn jahrelang gehasst. Ich hielt ihn für ein Ungeheuer«, flüsterte sie. »Aber er wollte, dass ich so von ihm dachte, damit er mich beschützen konnte.«
»Er lebt noch«, sagte Natalya. »Er ist irgendwo hier unten, immer noch Xaviers Gefangener, und er lebt!«
»Das können wir nicht wissen«, wandte Vikirnoff ein. »Es ist so viel Blut hier, sívamet, und es ist alles seins. Wenn er das überlebt hätte, wäre es ein Wunder«, sagte er und zog sie an sich. »Ich weiß, was du denkst, aber er will nicht, dass du nach ihm suchst. Keine von euch beiden soll es tun.« Er sah kurz Lara an, bevor er sich wieder seiner Seelengefährtin zuwandte. »Verstehst du denn nicht? Du und Lara, ihr seid die beiden Menschen, die Razvan am meisten liebt, und er hat es geschafft, euch zu beschützen. Das müssen wir ihm lassen. Es ist alles, woran er sich noch halten kann, um bei Verstand zu bleiben. Dieser Mann hat sein Leben aufgegeben, seine Seele, alles, was er ist und war, um sicherzustellen, dass du und Lara ein Leben habt. Das könnt ihr ihm nicht nehmen.«
»Aber ich kann ihn finden!«
»Was glaubst du, wie es für ihn wäre, wenn du nach all den Opfern, die er gebracht hat, doch noch in Xaviers Hände fielst?«
Natalya schüttelte nur den Kopf und verweigerte die Antwort. Sie würde nie versprechen, ihren Bruder nicht zu suchen, das wusste Lara. Und sie selbst würde dieses Versprechen auch nicht geben, wenn Nicolas es von ihr verlangen würde. Lara holte tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen, als sie sich vorsichtig umblickte. Die anderen, die sich ihrer Macht
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