Fluch der Nacht: Roman
Lara rot glühende Löcher anstatt Augen sehen, die wiederum in schwarzen Masken steckten, wo Gesichter hätten sein müssen. Vor den Spiegeln aus Eis blieben die Krieger reglos stehen und starrten mit ihren blicklosen Augen auf das, was ihre leeren Seelen reflektierten. Es stimmte Lara traurig, dass diese Männer, die sich ihr Leben lang wie Ehrenmänner verhalten hatten, von einer so üblen Kreatur wie Xavier hatten befehligt werden können.
Lara hob noch einmal die Hände, um ein Muster zu weben, diesmal sogar noch ein komplizierteres und detaillierteres als beim ersten Mal. Und als sie wieder sang, klang unüberhörbarer Respekt in ihrer Stimme mit.
Ihr, die ihr schlimmes Unrecht erlitten habt, die ihr in Kämpfen ehrenhaft zusammengehalten habt, blickt ins Eis und seht, was von euch vielleicht noch zurückgewonnen werden kann.
Mit angehaltenem Atem wartete sie, als die Krieger sich zu bewegen begannen, als erwachten sie aus langem Schlaf. Einer nach dem anderen streckten sie die Arme nach dem Spiegel aus Eis aus.
Lara sang leise weiter. Krieger voller Kraft und Tapferkeit, nehmt zurück, was euch gehört, und fahrt mit Ehre auf!
Das Eis begann sich zu verformen und durch die Luft schwebende Lichter hervorzubringen, von denen jedes eine andere Form und Farbe hatte. Als die Lichter herunterschwebten, stiegen die Krieger in sie ein, erglühten für einen Moment – und lösten sich in Luft auf, nachdem sie sich tief vor Lara verbeugt hatten.
Sowie der letzte Schattenkrieger verschwunden war, rief Lara Nicolas. »Der Weg ist frei. Wir müssen hier heraus. Tretet nicht auf die Erhebungen.«
Vikirnoff und Nicolas liefen zu ihren Gefährtinnen und stiegen vorsichtig über die schnappenden Zähne hinweg aus dem Mutterparasiten.
»Das hast du gut gemacht, Lara«, sagte Nicolas, während er den Schattenkriegern einen kleinen Gruß nachsandte. »Du hast ihnen Ehre erwiesen, und das zu Recht.«
»Was sollen wir damit machen?«, fragte Vikirnoff, als die scheußliche Kreatur wieder nach ihnen schnappte. Sie konnte sich nicht bewegen, da sie gefroren und ihr Körper ein Teil der Höhle war.
»Zerstör sie, Lara«, sagte Nicolas. »Ich kann nicht den Blitz hier herabrufen, aber du kannst diese Brutmaschine vernichten, die da liegt und auf Opfer wartet, um sie an ihre Jungen zu verfüttern. Du beherrschst doch alle Elemente.«
»Du auch.« Sie legte den Kopf zurück und sah ihm ins Gesicht. Er wollte, dass sie es tat – um ihr Selbstvertrauen zu stärken und ihr zu zeigen, dass sie Macht und die Kontrolle über die Situation besaß. Sie sollte wissen, dass sie das Ungeheuer töten konnte, das seinem Volk so zusetzte. »Gut«, sagte sie und nickte. »Ich wünschte nur, uns bliebe Zeit zu überlegen, wie wir Xaviers Labor zerstören können.«
Nicolas’ Lächeln erreichte seine Augen nicht; er bleckte nur die Zähne wie ein Wolf. »Ich bin schon dabei, darüber nachzudenken. Außerdem müssen wir noch sehen, wo und wie er die infizierten Mikroben in die Erde bringt.«
»Er muss den Gletscher benutzen, um sie entweder in das Wasser oder in die Erde einzuschleusen«, sagte Lara. »Ich würde auf die Erde tippen, weil die Dorfbewohner nicht infiziert zu sein scheinen.«
»Nachdem wir nun wissen, wonach wir suchen, werden wir es auch finden«, sagte Nicolas zuversichtlich. »Doch vernichte erst mal dieses Scheusal hier!«
Lara blickte sich zu dem Eismonster mit den blutbefleckten Zähnen und dem aus ihnen herauströpfelnden Gift um. Xavier hatte die perfekte Mutter für seine Parasiten geschaffen. Lara brauchte Feuer ... und Luft, um es aufrechtzuerhalten. Während die anderen zurücktraten, stellte sie sich mit erhobenen Armen vor das Monster, wohl wissend, dass Nicolas ihr die perfekte Gelegenheit gegeben hatte, Xaviers Pläne zu vereiteln und sich an ihm zu rächen. Die Zerstörung seiner Parasitenfabrik würde ein großer Rückschlag für ihn sein.
»Das ist für Razvan und Gerald und Terry«, flüsterte sie und begann, eins ihrer komplizierten Muster in die Luft zu zeichnen.
Ich rufe die Macht des Westens an; Luft, hör meinen Ruf! Ich schöpfe aus der Macht des Ostens; Feuer, komm zu mir!
Ein brausender Wind war zu hören, als kleine, flackernde Partikel sich zu vereinen begannen, sich immer schneller und schneller drehten und einen Windtunnel erzeugten. Je schneller sie sich drehten, desto höher schlugen die Flammen und sammelten mehr und mehr Partikel, bis sie zu einem großen Flammenrohr wurden. Mit
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