Fluch der Nacht: Roman
sarkastisch, »hätten sie es schon getan, als ich noch ein Kind war. Aber Xavier hielt sie in einem so schwachen, kranken Zustand, dass sie gar nicht in der Lage dazu waren.«
»Wer die Höhle von innen kennt, hat zwei ganz in Eis eingeschlossene Drachen gesehen – tote Drachen, Lara.«
Ihr wurde übel, und sie presste eine Hand an ihren Magen. »Xavier hielt sie immer in Eis eingeschlossen. Er fror seine Blutvorräte ein. Raffiniert, was?«, sagte sie bitter. »Weißt du, was für Schmerzen jemand, der eingefroren war, beim Auftauen durchmacht?«
Nicolas’ Stimme war nun viel sanfter. »Lara, ich verspreche dir, selbst in die Eishöhle hineinzugehen und nachzusehen, aber für dich ist es das Beste, dich von ihr fernzuhalten. Xavier hat Schutzzauber hinterlassen – gefährliche, zu denen unter anderem auch Schattenkrieger gehören. Es wäre Selbstmord, wenn du in die Höhle gehen würdest.«
Lara presste die Lippen zusammen. Was nutzte es, mit ihm zu streiten, wenn sie ohnehin vorhatte zu verschwinden? Natürlich würde sie in die Höhle gehen. Sie konnte nicht anders. Ihre Tanten hätten niemals freiwillig aufgehört, nach ihr zu suchen, und sie würde sich auch nicht von Gefahren davon abhalten lassen, gerade den Ort aufzusuchen, der ihre Leichen und vielleicht auch nur Hinweise auf ihren Verbleib enthalten würde.
Sie schaute sich um und suchte nach einem unverfänglichen Gesprächsthema – und wenn auch nur, um überhaupt etwas zu sagen. In dem angrenzenden Raum konnte sie die Ecke des Bettes sehen, ein massives, altmodisches Bett mit einem reich geschnitzten Kopf- und Fußteil. Aber sie wollte weder in dieses Zimmer gehen noch seine Existenz zur Kenntnis nehmen, weil sie jetzt schon spüren konnte, wie die Spannung in der Höhle zunahm.
Lara sah Nicolas unter halb gesenkten Wimpern hervor an und entfernte sich ein wenig mehr von ihm. Irgendwie schien er den ganzen Raum auszufüllen, obwohl gerade dieser ziemlich groß war und hohe Decken hatte. Es war unmöglich, die prickelnde erotische Anziehung zwischen ihnen nicht wahrzunehmen. Nicolas war zu attraktiv, zu sinnlich, und seine Bewegungen – die Art, wie er beispielsweise von absoluter Reglosigkeit blitzschnell in Aktion treten konnte – einfach viel zu sexy. Macht verriet sich in der Geschmeidigkeit seines Körpers und in jeder Linie seines Gesichts. Seine glutvollen Augen konnten sie schier zerfließen lassen, und wenn er den eindringlichen Blick dieser schwarzen Augen auf sie richtete und ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkte, hörte ihr Körper auf, ihr selbst zu gehören, und schrie förmlich nach ihm.
Sie hatte versucht, nicht mehr über die Konsequenzen nachzudenken, die es für sie haben könnte, dass er sie zu seiner Seelengefährtin gemacht hatte. Vielleicht hatte sie tief in ihrem Innersten nie wirklich geglaubt, dass er mit ein paar lächerlichen Worten ihr Leben für immer verändern könnte, aber sie spürte die Verbindung zu ihm, ob sie wollte oder nicht – und auf sexueller Ebene war es schlicht beängstigend, was mit ihr geschah. Sich von einer Frau, die kein bisschen interessiert an Männern war, nicht einmal an jenen, die ihre Freunde waren oder die sie kannte, in eine zu verwandeln, deren Körper völlig außer Rand und Band geriet bei einem Mann, den sie nicht einmal mochte, war, gelinde gesagt, ein Albtraum. Eine Katastrophe.
Sie hatte sich geschworen, nie wieder so hilflos zu sein, wie sie es als Kind gewesen war. Sie hatte Jahre ihres Lebens damit verbracht, alles um sich herum zu kontrollieren, um sich niemals wieder so verwundbar zu fühlen. Mit einem unterdrückten Seufzer sah sie sich in der Höhle um. Zwanzig Jahre später, und sie war wieder dort, wo sie begonnen hatte, nur dass es diesmal ihr eigener Körper war, der sie verriet.
»Hör auf, dich so vor mir zu fürchten, päläfertiil . Ich werde mir nichts nehmen, was du mir nicht geben willst.«
In dem flackernden Kerzenlicht sah er fast ein bisschen wölfisch aus. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wünschte, ihr Blick würde nicht so an seinem harten, maskulinen Körper hinuntergleiten – und dass er nicht einen so wissenden Ausdruck im Gesicht hätte. Er war ein Karpatianer, dessen wache Sinne ihm verraten mussten, wie erregt sie war ... und wahrscheinlich konnte er auch ihre Angst riechen, was eigentlich sogar noch schlimmer war.
Ärgerlich schob sie das Kinn vor. Wenn er ihre Angst riechen konnte, was nützte es dann schon, sie zu
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