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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mindestens an vier Stellen auf allen vieren kriechen mußten.
    Er wollte nicht in einem solchen Engpaß steckenbleiben.
    Oder... wie wäre das, Leute? Der alte Billy Halleck verklemmt sich in einer von diesen dunklen Kriechstellen und kriegt dann seinen Herzanfall! Heee! Zwei auf einen Streich!
    Doch schließlich versprach er, es zu versuchen, unter der Bedingung, daß sie allein weiterklettern solle, wenn sich herausstellen sollte, daß er für den Gipfel einfach nicht genug Kondition hätte, und daß sie vorher nach New Paltz führen, um ihm ein Paar Leinenschuhe zu kaufen. Heidi stimmte beiden Bedingungen bereitwillig zu.
    In New Paltz mußte Halleck feststellen, daß ›Leinenschuhe‹ inzwischen passé waren. Man konnte sich nicht einmal mehr an das Wort erinnern. Also kaufte er ein Paar modische silber-grüne Berg-und Wanderschuhe und freute sich im stillen, wie bequem sie sich an seinen Füßen anfühlten. Das veranlaßte ihn zu der Feststellung, daß er seit ... wie lange? ... fünf? sechs? ... Jahren keine bequemen Freizeitschuhe mehr besessen hatte. Klang unwahrscheinlich, aber es war wahr.
    Heidi bewunderte die Schuhe und sagte ihm nochmals, daß er tatsächlich so aussähe, als hätte er abgenommen. Vor dem Schuhgeschäft stand eine Waage, eine von den ganz alten, die einem gleichzeitig das Gewicht anzeigten und das Schicksal prophezeiten. Halleck hatte so eine seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen.
    »Spring rauf, mein Held«, ermunterte Heidi ihn. »Ich habe einen Penny.«
    Halleck zögerte einen Augenblick, er war irgendwie nervös.
    »Nun mach schon. Ich möchte sehen, wieviel du abgenommen hast!«
    »Heidi, diese Dinger zeigen doch nie das genaue Gewicht an, das weißt du.«
    »Ich will es ja nur so ungefähr wissen. Komm, Billy - sei kein Frosch.«
    Er gab ihr zögernd das Päckchen mit den neuen Schuhen und stieg auf die Waage. Sie warf den Penny in den Schlitz. Er hörte ein Klicken, und dann zogen sich zwei gebogene, silbern schimmernde Metallplatten zurück. Hinter der oberen war sein Gewicht angezeigt; hinter der unteren gab die Maschine ihre Vorstellung von seinem Schicksal preis. Halleck holte überrascht Luft.
    »Ich hob's gewußt!« sagte Heidi neben ihm. In ihrer Stimme lag eine Spur Zweifel, so als wüßte sie nicht so recht, ob sie sich freuen oder wundem sollte. »Ich hab doch gewußt, daß du dünner geworden bist!«
    Wenn sie gehört hatte, wie er den Atem ausstieß, dachte Halleck später, hatte sie das gewiß auf die Zahl bezogen, auf der der rote Zeiger stehen geblieben war – trotz seiner vollständigen Bekleidung mit dem Schweizer Taschenmesser in der Kordhose, trotz des herzhaften Mohonk-Frühstücks, das seinen Bauch füllte, deutete dieser Zeiger exakt auf 232. Er hatte seit dem Tag, an dem der Canley-Prozeß so erfreulich abgeschlossen worden war, vierzehn Pfund abgenommen.
    Aber es war nicht das Gewicht, das ihn hatte nach Luft schnappen lassen, es war die Prophezeiung gewesen. Die untere Metallplatte war nicht zurückgewichen, um ihm ein gewöhnliches IHRE FINANZEN WERDEN SICH BALD VERBESSERN oder ein ALTE FREUNDE MELDEN SICH BALD ZUM BESUCH AN oder ein TREFFEN SIE IM AUGENBLICK KEINE ÜBERSTÜRZTEN
    ENTSCHEIDUNGEN zu offenbaren.
    Sie hatte nur ein einziges, schwarzes Wort preisgegeben:
    »DÜNNER«

4. Kapitel: 227
    Auf dem Heimweg nach Fairview schwiegen sie die meiste Zeit. Heidi fuhr bis ungefähr fünfzehn Meilen vor New York, wo der Verkehr stärker wurde. Dann bog sie auf einen Raststättenparkplatz und überließ Billy das Steuer für den Rest des Weges. Es gab keinen Grund, warum er nicht fahren sollte; es stimmte, die alte Dame war getötet worden, ein Arm fast vom Körper abgerissen, der Unterleib zerquetscht, der Schädel zersplittert wie eine Ming-Vase, die auf einen Marmorfußboden geworfen worden war, aber Billy Halleck hatte keinen Vermerk in seinem Connecticut-Führerschein.
    Dafür hatte der gute alte Cary Rossington schon gesorgt.
    »Hast du mich gehört, Billy?«
    Er warf ihr einen kurzen Blick zu und richtete die Augen dann wieder auf die Straße. Er fuhr jetzt besser. Obwohl er seine Hupe nicht häufiger benutzte als vorher, obwohl er nicht öfter schrie oder heftiger mit den Armen wedelte als sonst, fielen ihm seine eigenen Fahrfehler und die der anderen viel mehr auf als vorher. Und er hatte für beides wenig Nachsicht übrig. Eine alte Frau zu töten, das wirkte wahre Wunder, was die eigene Konzentration betraf. Es zerstörte die Selbstachtung,

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