Fluch, Der: Roman
Garfield, der auf ihnen abgebildet war, unter den Nudeln begrub. Sie erkundigte sich, wie die zweiten Flitterwochen gewesen wären (ein Ausdruck, der gleich neben der ›zweiten Kindheit‹ rangiere, wie Billy später beim Abwasch trocken zu Heidi bemerkte, nachdem Linda mit fliegenden Haaren aus dem Haus gerannt war, um mit zwei Freundinnen zu spielen), doch bevor sie mit der Erzählung über den Ausflug beginnen konnten, rief sie plötzlich: »Oh, dabei fällt mir ein!«
und berichtete während der übrigen Mahlzeit Horror-und Wundergeschichten aus der Fairview Junior Highschool, die für sie von größerem Interesse waren als für Billy und Heidi. Trotzdem versuchten die beiden, aufmerksam zuzuhören. Schließlich waren sie fast eine Woche weggewesen.
Als sie hinausrannte, gab sie Billy einen schmatzenden Kuß und rief: »Wiedersehen, Bohnenstange!«
Billy sah ihr nach, als sie aufs Fahrrad stieg und mit wehendem Pferdeschwanz die Auffahrt hinunterfuhr. Dann drehte er sich verblüfft zu Heidi um.
»Wirst du jetzt bitte auf mich hören?« fragte sie.
»Du hast es ihr erzählt. Du hast sie vorher angerufen und ihr aufgetragen, das zu sagen. Eine weibliche Verschwörung.«
»Nein.«
Er musterte ihr Gesicht und nickte müde. »Nein, wohl doch nicht.«
Heidi zerrte Um die Treppe hinauf, bis er schließlich nackt bis auf das Handtuch um seine Hüfte im Badezimmer stand.
Plötzlich hatte er eine starke Eingebung von dijä vue – die zeitliche Zurückversetzung war so total, daß ihm leicht übel wurde. Die Szene war eine fast genaue Wiederholung des Morgens, an dem er mit eben diesem taubenblauen Handtuch um die Hüfte auf genau dieser Waage gestanden hatte. Es fehlte nur der Duft von gebratenem Speck und Eiern, der aus dem Erdgeschoß heraufzog. Ansonsten war alles gleich.
Nein. Nein, das stimmte nicht. Ein Sachverhalt hatte sich merklich verändert.
An jenem Morgen hatte er sich vorbeugen müssen, um die schlechte Nachricht auf dem Digitalanzeiger lesen zu können. An jenem Morgen war ihm sein Bauch im Wege gewesen.
Der Bauch war zwar immer noch da, aber er war kleiner.
Es war gar keine Frage, er konnte jetzt gerade an sich heruntersehen und die Zahlen ablesen.
Die Digitalanzeige stand auf 229.
»Jetzt reichts«, sagte Heidi gepreßt. »Ich werde dir einen Termin bei Dr. Houston besorgen.«
»Die Waage ist falsch eingestellt«, wandte Billy schwach ein. »Sie hat schon immer zu wenig angezeigt. Deshalb mag ich sie ja so gerne.«
Sie sah ihm kalt in die Augen. »Genug ist genug, mein Freund. Die ganzen letzten fünf Jahre hast du dich darüber beklagt, daß sie zuviel anzeigt, und wir wissen es beide.« Im grellen Badezimmerlicht sah er deutlich, wie ängstlich sie war. Die Haut über ihren Wangenknochen schimmerte durchsichtig.
»Bleib, wo du bist«, sagte sie schließlich und ging aus dem Bad.
»Heidi?«
»Rühr dich nicht von der Stelle!« rief sie zurück und lief die Treppe hinunter.
Ein paar Minuten später kehrte sie mit einem ungeöffneten Zuckerpaket zurück. ›Nettogewicht: 10 Pfund‹, besagte die Aufschrift. Sie stellte es auf die Waage. Die Digitalanzeige schwankte einen Augenblick hin und her und entschied sich dann für ein klares rotes 012.
»Genau, wie ich's mir vorgestellt hatte«, bemerkte Heidi grimmig. »Ich wiege mich doch auch hier, Billy. Sie zeigt nicht zuwenig an und hat das auch nie getan. Es ist genauso, wie du immer gesagt hast, sie zeigt zuviel an. Es war keine bloße Meckerei, und wir haben es beide gewußt. Jemand, der an Übergewicht leidet, mag eine ungenaue Waage, weil sie die unangenehmen Tatsachen verschleiert. Wenn...«
»Heidi...«
»Wenn diese Waage bei dir 229 Pfund anzeigt heißt das, daß du in Wirklichkeit nur 227 wiegst. Jetzt laß mich...«
»Heidi...«
»Laß mich einen Termin für dich ausmachen.«
Er zögerte, blickte auf seine bloßen Füße hinunter und schüttelte den Kopf.
»Billy!«
»Ich werde es selbst tun«, sagte er.
»Wann?«
»Mittwoch. Ich werde es am Mittwoch tun. Houston geht jeden Mittwochnachmittag in den Golfclub und spielt neun Locher.« Manchmal spielt er mit dem unnachahmlichen, busen-grapschenden, ehefrauenküssenden Cary Rossington. »Ich werde es pesönlich mit ihm ausmachen.«
»Warum rufst du ihn nicht heute abend an? Waruih nicht gleich?«
»Heidi«, sagte er bestimmt. »Jetzt ist es genug.« Etwas in seinem Gesicht mußte sie überzeugt haben, denn sie drang nicht weiter in ihn und erwähnte das Thema den
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