Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
das Zimmer durchquerte.
    Dann öffnete er die Tür ... und mußte zum erstenmal die unangenehme Empfindung durchmachen, die ein echtes Raritätenshowmonster haben mochte. Der Kellner war ein Junge von knapp neunzehn Jahren mit strubbeligen Haaren und hohlen Wangen, eine Art Imitation der britischen Punkrocker. Selbst kein Preis-Bodybuüder. Er blickte Billy kurz mit dem abwesenden Blick an, mit dem er wohl bei jeder Schicht Hunderte von Männern in Hotelbademänteln taxierte. Das Desinteresse würde sich etwas aufhellen, wenn er die Höhe des Trinkgeldes in Augenschein nähme, aber das wäre auch alles. Doch seine Augen weiteten sich plötzlich in einem Ausdruck von Überraschung und dem Anflug von Entsetzen. Sofort kehrte der desinteressierte Blick zurück. Aber Billy hatte es gesehen.
    Entsetzen. Es war fast Entsetzen gewesen.
    Und die Überraschung war immer noch vorhanden – versteckt zwar, aber sie war immer noch da. Billy glaubte, sie gerade deshalb erkennen zu können, weil sich noch eine andere Komponente eingeschlichen hatte – Faszination.
    Die beiden erstarrten einen Augenblick lang gefangen in der unbehaglichen, unerwünschten Partnerschaft zwischen Gaffer und Begafftwerdendem. Billy wurde schwindelig. Er mußte daran denken, wie Duncan Hopley in seinem gemütlichen, fast völlig verdunkelten Haus in der Ribbonmaker Lane gesessen hatte.
    »Na, nun bringen Sie's schon rein«, sagte er brüsk und brach damit den Bann etwas übertrieben heftig. »Oder wollen Sie die ganze Nacht da draußen stehenbleiben?«
    »Oh, nein, Sir«, sagte der Zimmerkellner hastig, »entschuldigen Sie bitte.« Heiße Röte war ihm ins Gesicht geschossen. Billy hatte Mitleid mit ihm. Schließlich war er kein Punkrocker und auch kein reichlich pflichtvergessener Jugendlicher, der in den Zirkus gekommen war, um mal echte Krokodile zu sehen, sondern nur ein Collegestudent mit einem Sommerjob, der von einem ungewöhnlich hageren Mann überrascht war, welcher an irgendeiner Krankheit leiden mochte oder auch nicht.
    Der alte Kerl hat mich auf mehr als eine Weise verflucht, dachte Billy.
    Dieses Kind hatte keine Schuld daran, daß er, Billy Halleck, ehemals Einwohner von Fairview, Connecticut, so viel Gewicht verloren hatte, daß er jetzt die Qualifikation zum Jahrmarktsmonster hatte. Er gab ihm einen Dollar extra Trinkgeld und sah zu, daß er ihn so schnell wie möglich los wurde. Dann ging er ins Bad zurück und betrachtete sich im Spiegel. Langsam, wie ein Exhibitionist in seinen eigenen vier Wänden, schlug er den Bademantel auseinander. Er hatte den Mantelgürtel ganz locker gebunden gehabt, so daß seine ganze Brust und der halbe Bauch zu sehen gewesen waren. Ganz verständlich, daß der Kellner, schon als er nur soviel wahrgenommen hatte, geschockt gewesen war. Hätte er ihn ganz gesehen, wäre der Schock wohl noch verständlicher gewesen.
    Jede einzelne Rippe stand deutlich hervor. Seine Schlüsselbeine waren nur mehr exquisit gezeichnete, von dünner Haut überzogene Erhebungen. Seine Jochbeine wölbten sich hervor. Das Brustbein bildete einen dicken Knoten, der Bauch darunter ein hohles Loch. Die Beckenknochen sahen aus wie eine umgekehrt in der Luft hängende Wünschelrute. Grausam.
    Seine Beine waren noch so, wie er sie in Erinnerung hatte, lang und gut mit Muskeln bepackt. Die Knochen waren noch vergraben. Dort hatte er ja sowieso nie viel Fett angesetzt. Doch oberhalb der Gürtellinie entwickelte er sich tatsächlich zu einem Schreckgespenst - ein lebendes Skelett.
    Hundert Pfund, dachte er. Mehr braucht es nicht, um den versteckten Elfenbeinmann aus dem Keller zu locken. Jetzt weißt du, wie schmal der Pfad zwischen dem ist, was du immer für selbstverständlich gehalten und von dem du stillschweigend angenommen hast, daß es dir immer erhalten bleibt, und diesem Wahnsinn hier.
    Wenn du dich das jemals gefragt haben solltest, jetzt weißt du's. Du siehst immer noch normal aus – na ja, ziemlich normal – jedenfalls solange du deine Kleider anhast. Aber wie lange wird es noch dauern, bis du solche Blicke wie den, den der Kellner dir vorhin zugeworfen hat, auf dich ziehst, obwohl du angezogen bist? Eine Woche? Zwei Wochen?
    Seine Kopfschmerzen waren schlimmer geworden, und obwohl er vorhin einen Riesenhunger gehabt hatte, pickte er jetzt nur im Essen herum. Er schlief schlecht und stand früh auf. Diesmal pfiff er nicht beim Anziehen.
    Billy war der gleichen Ansicht wie Kirk Penschley und die Barton-Detektive, die Zigeuner

Weitere Kostenlose Bücher