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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gelangweilt durch dreckige Fensterscheiben auf die Auslagen. Einige bahnten sich mit lahmem Schwung auf ihren Skateboards einen Weg durch die Menge der Spaziergänger. Halleck stellte fasziniert und bestürzt zugleich fest, daß jeder in dieser Menge Übergewicht hatte, und jeder - selbst die Kinder auf den Skateboards – schien etwas zu essen: hier eine Ecke Pizza, dort ein Sandwich, eine Tüte Kekse oder Popcorn, ein Eis oder Zuckerwatte. Er sah einen fetten Mann, dem das Hemd aus seiner ausgebeulten grünen Bermudahose hing.
    Er hatte schlapperige Ledersandalen an und kaute schmatzend an einem fast vierzig Zentimeter langen Hotdog. In seinem Mundwinkel hing ein Rest, der von einer Zwiebel oder, vom Sauerkraut stammte. In den Wurstfingern seiner linken Hand hielt er noch zwei weitere Hotdogs, und Billy hatte die Vision, es handele sich hierbei um einen Zauberkünstler, der dem Publikum rote Gummibälle präsentierte, um sie kurz darauf verschwinden zu lassen.
    Als nächstes kam der Midway. Gegen den Himmel türmte sich eine Riesenachterbahn. Eine gigantische Nachbildüng eines Wikingerboots schwang in steiler werdenden Halbkreisen auf und ab, und die im Inneren angeschnallten Passagiere kreischten und quietschten. Zu Hallecks Linken dröhnten Glocken und blitzten in großem Bogen Lichter auf, zu seiner Rechten bumsten Teenager in gestreiften TShirts mit ihren Autoscootern gegeneinander. Direkt unter dem großen Lichterbogen stand ein junges Paar, das sich küßte.
    Sie hatte die Arme um seinen Hals geschlungen. Er hatte eine Hand auf ihren Po gelegt. In der anderen hielt er eine Budweiserdose. Tja, dachte Billy. Genau hier ist es. Hier muß es sein.
    Er parkte den Wagen auf einem brütend heißen Schotterparkplatz, bezahlte dem Wächter siebzehn Dollar für einen halben Tag, steckte sein Portemonnaie von der Hosen- in die innere Jackentasche und begann mit der Suche.
    Zuerst kam es ihm so vor, als ob der Gewichtsverlust sich in den letzten Tagen gesteigert hätte. Alle starrten ihn an.
    Aber seine Vernunft machte ihm sofort klar, daß es wohl eher an seiner Kleidung lag als daran, wie er unter diesen Kleidern aussah.
    Die Leute würden dich genauso anstarren, wenn du Mitte Oktober in Badehose und T-Shirt auf dem Boulevard auftauchen würdest, Billy. Nimm's nicht so tragisch. Du bist einfach jemand, der die Blicke auf sich zieht, und hier gibt es eine ganze Menge zu sehen.
    Und das stimmte. Er sah eine dicke, ja fette Frau in einem schwarzen Bikini. Ihre tief gebräunte Haut glänzte vor Sonnenöl. Ihr Unterkörper war sehr üppig, das Spiel ihrer kräftigen Oberschenkelmuskeln fast mythisch zu nennen. Und irgendwie erregend. Sie stampfte wie ein Ozeandampfer auf den weitgestreckten weißen Strand zu, und ihre Pobacken wackelten dabei wie aufgewühlte Wogen. Er sah einen schon grotesk fetten Pudel, dessen Locken für den Sommer kurzgeschoren waren. Seine hechelnde Zunge – mehr grau als rot – hing ihm weit aus dem Hals. Er saß im Schatten einer Pizzabude. Er sah zwei Faustkämpfe. Er sah eine riesige Seemöwe mit fleckigen grauen Schwingen und ausdruckslosen, schwarzen Augen, die sich in die Menge stürzte und einem kleinen Jungen in einer Sportkarre den fettigen Hamburger aus der Hand schnappte.
    Und hinter all dem lag der elfenbeinweiße, sichelförmige Old Orchard Strand, von dem jetzt so gut wie nichts zu sehen war. Er war fast vollständig mit erholungsbedürftigen Sonnenbadern bedeckt, die die Mittagssonne eines Frühsommertages ausnutzten. Doch sowohl der Strand als auch der Atlantik, der sich dahinter erstreckte, wurden irgendwie durch das erotisch pulsierende Leben auf dem Midway überdeckt und entwürdigt. Ein Gewirr von Menschen mit Nahrungsmitteln in den Händen, die rasch in der Sonne austrockneten, das Geschrei der Straßenhändler (»Ich rate Ihr Gewicht!« hörte Billy zu seiner Linken. »Wenn ich es um fünf Pfund verfehle, gewinnen Sie einen Dollar!«), die heiseren Schreie der Achterbahnfahrer, die plärrende Rockmusik, die aus den Bars auf die Straßen drang.
    Billy fühlte sich plötzlich der Wirklichkeit enthoben - außerhalb seiner selbst, als erlebte er gerade einen dieser Augenblicke von Astralprojektion, wie sie in den billigen Schicksalsmagazinen beschrieben werden. Namen wie Heidi, Penschley, Linda, Houston hatten plötzlich einen falschen, blechernen Klang, so als hätte jemand sie aus dem Stegreif für eine miese Geschichte erfunden. Er hatte das Gefühl, als könnte er hinter die

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