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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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weißt du, ich glaube nicht, daß du das kannst.«
    Der alte Mann starrte ihn wortlos an.
    »Denn das erstemal habe ich dir dabei geholfen«, fuhr Halleck fort. »In dem Punkt hatten die anderen nämlich recht - es besteht eine Art Partnerschaft zwischen uns, nicht wahr? Zwischen dem Verflucher und dem Verfluchten. Wir waren alle drei mit dir daran beteiligt. Hopley, Rossington und ich. Aber ich steige jetzt aus, mein Alter. Meine Frau hat mir in meinem großen, teuren Wagen einen runtergeholt, das stimmt. Aber deine Tochter ist wie ein ganz gewöhnlicher, unachtsamer Fußgänger einfach so, ohne auf eine Ampel oder einen Zebrastreifen zu achten, auf die Straße gerannt, das stimmt nämlich auch. Wenn sie bei der Ampel rüber gegangen wäre, würde sie heute noch leben. Auf beiden Seiten sind Fehler gemacht worden. Sie ist tot, und ich kann niemals zu dem alten Leben zurückkehren, das ich vorher geführt habe. Es gleicht sich also aus. Sicher, es ist nicht der beste Ausgleich, den diese Welt je gesehen hat, aber es gleicht sich aus. In Las Vegas haben sie dafür einen Spezialausdruck - sie nennen das einen Push. Das hier ist ein Push, alter Mann. Laß es damit gut sein.«
    Als Halleck zu lächeln angefangen hatte, war zunächst eine eigenartige, fremde Furcht in Lemkes Augen gestiegen, aber jetzt hatte sein unerbittlicher Zorn sie wieder verdrängt.
    »Ich werde den Fluch niemals von dir nehmen, weißer Mann aus der Stadt«, schimpfte er. »Ich werde mit ihm auf den Lippen sterben.«
    Halleck beugte sich noch weiter zu seinem Gesicht hinunter, so daß ihre Stirnen sich fast berührten. Er konnte die Ausdünstung des Mannes riechen - eine Mischung von Spinnweben, Tabak und abgestandenem Urin. »Dann mach's schlimmer! Na los! Mach es – wie hast du vorhin gesagt? -, mach es so, daß ich mich das erstemal gesegnet gefühlt hätte!«
    Lemke starrte ihn immer noch an, doch jetzt spürte Haileck, daß Lemke der Unterlegene war. Plötzlich drehte der Alte sich zu Samuel um.
    »Enkelt av lakan och kanske alskade! Just detl«
    Samuel Lemke und der junge Mann mit der Pistole zogen Halleck von ihm weg. Taduz Lemkes eingefallene Brust hob und senkte sich heftig; sein spärliches Haar war zerzaust.
    Er ist es nicht gewohnt, daß man ihn anfaßt – und er ist es nicht gewohnt, daß man im Zorn zu ihm spricht.
    »Es ist ein Push«, rief Halleck, während man ihn wegzog.
    »Hast du mich gehört?«
    Lemkes Gesicht verzerrte sich. Plötzlich, es war schrecklich anzusehen, war er dreihundert Jahre alt. Ein entsetzlicher Lazarus.
    »Kein Puuuschl« schrie er Billy nach und schüttelte die Faust. »Kein Puuusch! Niemals! Du stirbst dünn, Stadtmensch!
    Du wirst genauso sterben!« Er legte beide Fäuste zusammen, und Halleck spürte fürchterliche Seitenstiche, als ob er zwischen diesen Fäusten zerquetscht würde. Einen Augenblick lang bekam er keine Luft. Es fühlte sich an, als würden seine Eingeweide zusammengepreßt. »Du stirbst dünn!«
    »Es ist ein Push!« wiederholte Halleck darum kämpfend, nicht nach Luft zu schnappen.
    »Kein Puuuschl« brüllte der Alte. In seiner Wut über den fortgesetzten Widerspruch hatte sich ein Netz von roten Adern über sein Gesicht gezogen. »Schmeißt ihn hinaus!«
    Sie zogen ihn durch den Kreis. Taduz Lemke stand aufrecht da und sah ihnen zu. Die Hände hatte er in die Seiten gestemmt, das Gesicht war eine versteinerte Maske.
    »Bevor sie mich von hier wegschleppen, Alter, sollst du wissen, daß mein Fluch über deine Familie kommen wird«, rief Halleck, und trotz der Schmerzen in seiner Brust war seine Stimme laut, ruhig, ja fast fröhlich. »Der Fluch des weißen Mannes aus der Stadt.«
    Er hatte den Eindruck, daß Lemkes Augen sich eine Spur weiteten. Aus den Augenwinkeln sah er, daß die alte Frau mit der Decke um die Beine und den Rabattmarken im Schoß wieder das Zeichen gegen den bösen Blick machte.
    Die beiden jungen Männer blieben einen Augenblick stehen; Samuel Lemke stieß ein kurzes, verwirrtes Lachen aus.
    Vermutlich belustigte ihn die Idee, daß ein weißer, Obere-Mittelklasse-Anwalt aus Fairview, Connecticut, den Mann verfluchen wollte, der vermutlich der älteste Zigeuner in ganz Amerika war. Noch vor zwei Monaten hätte Halleck selbst darüber gelacht.
    Aber Taduz Lemke lachte nicht.
    »Denkst du etwa, daß Männer wie ich keine Macht hätten zu verfluchen?« fragte Halleck. Er hob seine Hände – seine dünnen, ausgezehrten Hände - in Kopfhöhe und spreizte langsam die

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