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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Kopf. Jeder Mensch, dem er bisher vertraut hatte, hielt ihn für verrückt. Es war mehr als wahrscheinlich, daß seine Frau und sein Chef inzwischen schon alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, die im Staate Connecticut erforderlich waren, um einen Mann gegen seinen Willen in eine Anstalt einzuweisen. Zumindest würden sie es bald tun. Jetzt hatte er einfach nur noch zwei Möglichkeiten. Darin lag eine gewisse Ironie. Entweder er vertraute diesem mit Drogen han-delnden Schurken, den er fast sechs Jahre lang nicht gesehen hatte, oder er gab vollständig auf.
    Er schloß seine Augen und sagte: »Ich bin in Bar Harbor, Maine. Frenchman's Bay Motel, Zimmer siebenunddreißig.«
    »Eine Sekunde.«
    Ginellis Stimme entfernte sich wieder vom Hörer. Billy hörte ihn gedämpft Italienisch sprechen. Er hielt die Augen geschlossen. Schließlich war Ginelli wieder dran.
    »Meine Frau erledigt ein paar Anrufe für mich«, erklärte er. »Du weckst jetzt gerade einige Leute in Norwalk, paisan.  Ich hoffe, du bist zufrieden.« 
    »Richard, du bist ein Gentleman«, sagte Billy. Seine Stimme war heiser, die Worte klangen verzerrt. Er räusperte sich.
    Ihm war es zu kalt. Seine Lippen waren zu trocken. Er versuchte, sie mit der Zunge zu benetzen, aber auch seine Zunge war wie ausgetrocknet.
    »Du bleibst ganz still sitzen, mein Freund.« Wieder war sein Ton sehr besorgt. »Hast du mich verstanden? Ganz still. Wenn du willst, kannst du dir eine Decke umwickeln, aber mehr auch nicht. Du bist angeschossen worden. Du hast einen Schock.«
    »Mach keine Witze«, sagte Billy und lachte wieder. »Ich stehe jetzt seit gut zwei Monaten unter Schock.«
    »Wovon redest du?«
    »Vergiß es.«
    »Na gut. Aber wir müssen miteinander reden, William.«
    »Ja.«
    »Ich ... wart mal 'nen Augenblick.« Italienisch, leise, entfernt. Halleck schloß wieder die Augen und lauschte auf die Schmerzssendung aus seiner Radiohand. Nach einer Weile kam Ginelli wieder ans Telefon. »Ein Mann wird dir ein Schmerzmittel vorbeibringen. Er ...«
    »He, Richard, das ist nicht ...«
    »Sag mir nicht, wie ich meinen Job zu erledigen habe, William, du hörst jetzt einfach zu. Der Mann heißt Fander. Er ist kein Arzt, wenigstens nicht mehr, aber er wird dich mal unter die Lupe nehmen und feststellen, ob du nicht auch Antibiotika brauchst. Er wird noch vor Tagesanbruch bei dir sein.«
    »Richard, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.« Tränen liefen ihm über die Wangen. Er wischte sie zerstreut mit der rechten Hand weg.
    »Ich weiß, daß du das nicht weißt«, antwortete Ginelli.
    »Du bist schließlich kein Spaghettifresser. Denk bloß immer an den lieben Onkel Richard: schön brav sitzen bleiben.«
    Fander traf kurz vor sechs ein. Er war ein kleiner Mann, dessen Haar frühzeitig weiß geworden war. In einer Hand trug er einen ledernen Landarztkoffer. Er musterte Billys dürren, ausgemergelten Körper lange und schweigend, dann wickelte er vorsichtig das Taschentuch von seiner Hand. Billy mußte sich mit der Rechten den Mund zuhalten, um einen Schrei zu ersticken.
    »Heben Sie sie bitte mal hoch«, forderte Fander ihn auf, und Billy gehorchte. Die Hand war gräßlich angeschwollen.
    Die Haut spannte sich straff und durchscheinend. Einen Augenblick lang sahen Fander und Billy sich durch das Loch in der Handfläche an. Ein dunkler Ring aus verkrustetem Blut hatte sich darum gebildet. Fander nahm eine Stablampe aus der Tasche und leuchtete damit hindurch. Dann schaltete er sie wieder aus.
    »Sauber und ordentlich«, sagte er. »Wenn es wirklich eine Stahlkugel war, ist die Gefahr einer Infektion wesentlich geringer, als wenn es eine Schrotkugel gewesen wäre.«
    Er schwieg einen Augenblick nachdenklich.
    »Es sei denn, das Mädchen hat was draufgeschmiert, bevor es geschossen hat.«
    »Tröstlicher Gedanke«, krächzte Billy.
    »Ich werde nicht dafür bezahlt, Leute zu trösten«, erwiderte Fander kühl. »Besonders dann nicht, wenn ich nachts um halb vier aus dem Bett geschmissen werde und meinen Schlafanzug in einem leichten Flugzeug, das in elftausend Fuß Höhe auf und ab hüpft, mit dem Anzug wechseln darf.
    Sie sagten, es wäre eine Stahlkugel gewesen?«
    »Ja.«
    »Dann ist vermutlich alles in Ordnung. Man kann eine Stahlkugel nicht gut in Gift tränken, wie die Jivaro-Indianer es bei ihren Holzpfeilspitzen mit Curare tun. Und es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Frau noch etwas hinauf-gepinselt hat, wenn tatsächlich alles so spontan geschehen

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