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Fluch der Toten: Roman (German Edition)

Fluch der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Z. A. Recht
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machte sich nicht die Mühe, Rebecca anzuschauen, sondern konzentrierte seinen Blick auf die finsteren Gebäude vor ihm. » Es ist gar nicht so, wie es in den Nachrichten immer heißt. Im Fernsehen sieht man immer nur, wie es hinterher aussieht, wenn schon alles aufgeräumt ist. Im wirklichen Leben passiert es aus dem Nichts heraus. In der einen Sekunde ist alles in bester Ordnung, doch dann…Man weiß nicht mal, was einen getroffen hat. Für eine Sekunde ist es so, als würde die Welt stehen bleiben. Man kriegt erzählt, wie es ist, aber wenn man dabei ist, ist alles ganz anders. Wenn man sieht…Wenn man sieht, was daraus entsteht. Aber ich…Ich habe gesehen, wie…Es ist nur so, dass ich…ein paar Sekunden, bevor es krachte, einen Draht gesehen habe. Es war nur so ’n dünnes Ding – wie ein Kabel oder eine Kordel, das man in einem Haus verlegt… «
    Rebecca hatte aufgehört, die Skyline Omahas anzustarren. Sie musterte Stiles nun aus den Augenwinkeln. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war leer.
    » Dieser Kerl, Sergeant Wellton…Er war ein lustiger Vogel, über den könnte ich einige Geschichten erzählen…Er geht also vor uns her und schaut sich die Häuser auf beiden Straßenseiten sehr genau an. Und vor ihm ist ein dunkler Fleck. Umgeschüttete Erde. Wo jemand gegraben hat. Und ich sehe sie, und den Draht, und…Ich weiß auch nicht. Ich bin einfach…erstarrt. Ich kriegte keinen Ton raus. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht hab ich gedacht, wenn du dich irrst, kriegst du vielleicht ’n Rüffel oder so was…Ich weiß es nicht. Wellton…Nein, Moment, er hieß Anthony. Anthony Wellton. Er kam aus Pittsburgh. Und er ist voll draufgetreten. «
    Rebeccas Gesicht blieb ausdruckslos.
    » Als ich wieder zu mir kam, lag ich einen Meter oder so davon entfernt auf dem Boden. Ich war völlig taub. Ich hörte nur so ein Schrillen. Sonst nichts. Überall war Rauch. Staub. Ich bekam keine Luft. Dann fiel mir Anthony ein. Ich hatte ein paar Metallsplitter im Arm. Ich hab gespürt, dass ich blutete und so, aber ich bin trotzdem zu ihm hingerobbt. Ich hab sein Bein gefunden und hab mich aufgerappelt, weil ich sehen wollte, ob er verletzt war. Aber… «
    Stiles verstummte. Seine Augen waren feucht.
    » Mehr war aber nicht da. Nur sein Bein. Ich hab dann gehört… « Er hielt kurz inne, um Luft zu holen. » Es hieß, man hätte einiges von ihm über die ganze Straße verteilt gefunden. Und den Rest dann in einem Straßengraben, ein paar Schritte weiter. In einem Straßengraben! « Stiles’ Stimme klang nun zornig. » In einem beschissenen Straßengraben! Er hätte was Besseres verdient! Er hatte eine Tochter! Die war zwei Jahre alt. Oh, Gott, ich hätte ihn retten können! Ich habe den Draht gesehen! Ich habe es kommen sehen! Wenn ich was gesagt hätte, hätte ich ihn gerettet. Gerettet! O Gott, ich hätte ihn retten können! « Er verstummte.
    Die beiden saßen eine Weile schweigend da. Die Umrisse der Stadtlandschaft waren alles, was sie im Moment ablenkte.
    Schließlich sagte Rebecca leise: » Du glaubst, du hättest ihn auf dem Gewissen. «
    Stiles antwortete nicht.
    » Du glaubst, du hättest ihn umgebracht. Deswegen wolltest du dich in Hyattsburg umbringen. Um uns zu retten. «
    » Weißt du, was ich in dieser Nacht getan habe? Nachdem Wellton tot war, meine ich? « , fragte Stiles schließlich.
    » Was? «
    » Ich saß in meiner Unterkunft « , sagte Stiles. » Ich habe meine Pistole gezogen und sie mir an den Kopf gehalten. Ich dachte, es wäre meine Schuld, dass sein Kind nun ohne Vater aufwachsen muss. Ich wollte mich bestrafen. Alles wiedergutmachen. Dann ist etwas passiert. «
    » Was? « , fragte Rebecca. Ihre Beachtung galt nun ganz und gar dem jungen Soldaten.
    » Am anderen Ende des Gebäudes spielten ein paar Typen Poker. Ich konnte sie reden hören. Einer hatte ordentlich was verzockt. Er sagte nur: Tja, so was kommt vor. Es ist ganz schön lakonisch, was? Es hat zwar nicht dazu geführt, dass es mir in Bezug auf Wellton besser ging, aber es hat mich nachdenklich gemacht. Manchmal gehen Dinge einfach schief. Kann ja sein, dass ich, was den Draht angeht, recht hatte, aber was hätte es gebracht, wenn jemand anders an meiner Stelle gewesen wäre? Der hätte ihn vielleicht gar nicht gesehen. Deswegen denke ich jetzt über Selbstmord nicht mehr nach. Irgendwann sterben wir alle. Irgendwann passiert jedem von uns irgendein Scheiß. An jenem Tag war ich einfach noch nicht dran. Sogar in Hyattsburg, als

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