Fluch der Toten: Roman (German Edition)
Kameraden sich nun ein Kissen über den Kopf zogen und sich noch weiter unter ihren Zudecken verkrochen. Was Sergeant Major Thomas anbetraf, so war er nicht der Typ, dem es Spaß machte, lange an der Matratze zu horchen. Schlaf war eine lästige Pflicht, die man einmal am Tag hinter sich brachte. Dann ging es aber wieder an die Arbeit.
Trotzdem gab es einige Schwelgereien, in die Thomas sich zu verlieren gestattete. Zum Beispiel die morgendliche Tasse Kaffee. Er hatte es sich angewöhnt, jeden Morgen als Erstes eine Kanne Kaffee aufzusetzen. Er musste extra stark sein. Das HQ verfügte gleich hinter der Eingangshalle über einen Pausenraum, den die Gruppe in eine funktionelle, aber auch spartanische Küche umgebaut hatte. An der Wand hing eine Reihe von Schränken. Das einzige Haushaltsgerät, ein Mikrowellenherd, hatte man als Stromverschwender eingestuft. Die einzigen nun verwendeten elektrischen Küchengeräte waren ein Kocher mit zwei Platten und ein Kaffeetopf. Jack und Mitsui hatten kürzlich einen gusseisernen Ofen an der Außenwand angebracht, doch niemandem war es bisher gelungen, etwas auf ihm zu kochen. Drei runde, von Metallstühlen umgebene Klapptische standen in der Raummitte. Eine Kreidetafel auf Rollen war vor die naheste Wand geschoben; sie wies einen handgezeichneten Lageplan des HQ und des ihn umgebenden Häuserblocks auf. Alle Gebäude und Gassen waren markiert. Ein X war durch jedes Haus gezogen, das man durchsucht und für sicher erklärt hatte. Nur wenige, meist am Rand der Tafel gelegene und daher weit vom HQ entfernte Gebäude waren noch nicht markiert.
Als Thomas den Raum betrat, bemerkte er zuerst die bereits volle Kaffeekanne auf der Theke. Das zweite war eine über dem ihm am nächsten befindlichen Tisch zusammengesackte Frau, deren Kopf auf ihren gekreuzten Armen ruhte. Vor ihr stand eine Styroportasse des Gebräus. Sie rührte sich nicht, als Thomas den Raum durchquerte, an die Theke ging und den Kaffee prüfte. Er schnupperte, verzog das Gesicht und entleerte die Kanne ins Spülbecken. Der Kaffee war alt und abgestanden.
Leider gab es in Omaha keinen frischen Kaffee mehr, doch Thomas hatte mit dem löslichen Zeug kein Problem. Tatsächlich war er ihm sogar lieber. Schließlich waren militärische Notrationen auch nicht mit Kaffee für Feinschmecker versehen. Thomas griff in das Schränkchen an der Wand und entnahm ihm ein neues Päckchen. Er riss die Folie auf, kippte das Pulver hinein und schaltete die Kanne ein. Nachdem der schwierige Teil erledigt war, lehnte er sich rücklings an den Thekenrand und wartete. Inzwischen hatte er sich den anderen Raum-Okkupanten genauer angesehen.
Die Frau am Tisch hatte sich noch immer nicht gerührt. Hätte sich ihr Rücken nicht bei jedem Atemzug lautlos gehoben und gesenkt, hätte man sie für eine Leiche halten können. Thomas überlegte, ob er sie wecken sollte, entschied sich aber dagegen. Sie war vermutlich erschöpft. Anna Demilio verbrachte den größten Teil eines jeden Tages, von vielen Nächten ganz zu schweigen, im Kellerlabor bei der Arbeit. Sie hatte ihre Ruhe verdient.
Thomas spitzte die Ohren. Er hörte leise Schritte im Korridor. Kurz darauf tauchte eine leicht zerzauste, verschlafen wirkende junge Japanerin im Türrahmen auf. Sie trug einen einfachen weißen Schlafanzug und schrille rosa Häschenhausschuhe mit kurzen gelben Schnurrhaaren und Knopfaugen. Sie reckte sich ausgiebig und ächzte.
» Guten Morgen! « , sagte Juni. Erst dann bemerkte sie die Ärztin und hielt sich den Mund zu. Dr. Demilio regte sich und murmelte etwas im Schlaf, erwachte aber nicht. Die junge Frau huschte schnell und lautlos durch die Küche zu Thomas und wiederholte, diesmal sehr leise: » Guten Morgen. «
» Ich habe Sie schon beim ersten Mal gehört « , sagte Thomas. Ihr Flüsterton störte ihn jedoch nicht.
Seine schroffe Art wirkte nur auf jene befremdlich, die ihn nicht kannten. Junko Koji, die nun seit Monaten mit dem Mann im gleichen Haus wohnte, war nicht im Geringsten eingeschüchtert. » Wissen Sie, ob wir heute noch rausgehen? « , fragte sie so leise wie zuvor.
Thomas zuckte die Achseln.
» Hat Frank Ihnen erzählt, ob er mich diesmal mit rauslässt? « , drängte sie ihn.
Thomas zuckte erneut die Achseln und schenkte der Kaffeekanne einen Blick. Sie war nur halb voll. Oder halb leer, dachte er. Kommt auf die Perspektive an.
» Ich würde wirklich gern mal mitgehen « , sagte Juni.
Thomas gab nach. » General Sherman schickt
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