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Fluch der Unsterblichkeit

Fluch der Unsterblichkeit

Titel: Fluch der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Landessitte.«
    Ich wendete mich ab und betrachtete den Mann, der mich von jenseits der Gitterstäbe betrachtete. Hasan lehnte mittlerweile an der gegenüberliegenden Wand und hielt sich den Kopf. Ich hatte nicht bemerkt, daß er aufgestanden war.
    »Good afternoon«, sagte der Mann hinter dem Gitter und er sagte es tatsächlich auf englisch.
    »Ist es denn Nachmittag?« fragte ich.
    »Genau«, antwortete er.
    »Warum sind wir nicht tot?« fragte ich.
    »Weil ich euch lebendig haben wollte«, bemerkte er. »O nein, nicht Sie persönlich – Conrad Nomikos, Kommissar für Kunst, Monumente und Archive – oder alle Ihre vornehmen Freunde einschließlich des Poeta laureatus. Ich wollte, daß alle Gefangenen, die sie machten, lebendig hierhergebracht würden. Ihre persönlichen Belange sind in diesem Fall, sagen wir, nur die Würze.«
    »Mit wem habe ich das Vergnügen zu sprechen?« fragte ich.
    »Doktor Moreby«, sagte George.
    »Er ist ihr Zauberdoktor«, sagte Dos Santos.
    »Ich ziehe die Bezeichnung ›Shamane‹ oder ›Medizin-Häuptling‹ vor«, verbesserte Moreby lächelnd.
    Ich trat näher an das Gitter heran und sah, daß der Mann ziemlich mager, sonnengebräunt und glattrasiert war und daß sein Haar in einen ungeheuren schwarzen Zopf geflochten war, der sich wie eine Kobra um seinen Kopf wand. Er hatte engliegende dunkle Augen, eine hohe Stirn und enorme Kinnbacken, die seinen Adamsapfel verdeckten. Er trug geflochtene Sandalen, einen grünen Sarong und ein Halsband aus menschlichen Fingerknochen. An seinen Ohrläppchen hingen große schlangenförmige Silberringe.
    »Ihr Englisch ist ziemlich korrekt«, sagte ich, »und Moreby ist kein griechischer Name.«
    »Ach du lieber Gott!« Er machte eine graziöse Geste scheinbarer Überraschung. »Ich bin kein Eingeborener! Wie konnten Sie mich nur für einen Griechen halten?«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich sehe jetzt, daß Sie dafür viel zu gut angezogen sind.«
    Er kicherte.
    »Ach, dieser alte Fetzen … Ich habe ihn nur eben übergeworfen. – Nein, ich komme von Taler. Ich habe ein paar wundervoll aufregende Bücher über die Rückkehrbewegung gelesen und beschlossen, zurückzukommen und die Erde wieder aufbauen zu helfen.«
    »Aha. Und was geschah dann?«
    »Das Büro stellte zu der Zeit keine Leute ein, und ich stieß auf gewisse Schwierigkeiten, kommunal angestellt zu werden. Also beschloß ich, Forschungsarbeit zu leisten. Und dieser Ort hier ist voller Möglichkeiten dafür.«
    »Welche Art Forschungsarbeit?«

»Ich habe zwei Doktortitel in Kultur-Anthropologie von der Universität New Harvard. Ich beschloß, einen radioaktiv verseuchten Stamm grundlegend zu studieren – und nach einigen Tricks und Schmeicheleien gelang es mir, diesen hier zu überreden, mich zu akzeptieren. Ich begann auch die Leute zu erziehen. Aber bald fingen sie an, mich weit und breit zu verehren. Wunderbar für das Ego. Nach einer Weile wurden meine Forschungen und meine Sozialarbeit immer unwichtiger. Ich fand es viel anregender, mitzumachen als zu beobachten. Ich übernahm es, einige der roheren Bräuche nach ästhetischeren Gesichtspunkten umzuformen. Und so habe ich sie schließlich doch erzogen. Sie tun jetzt alles mit sehr viel mehr Stil, seit ich hier bin.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Nun, sie waren zum Beispiel schlichtweg Kannibalen. Ferner mangelte es ihnen zweifellos an Raffinement bezüglich der Verwendung ihrer Gefangenen, ehe sie erschlagen wurden. Derartige Dinge sind sehr wichtig. Wenn sie richtig getan werden, verleihen sie einem eine gewisse Noblesse, wenn Sie verstehen, was ich meine. Da stand ich vor einem enormen Reichtum an Bräuchen, abergläubischen Vorstellungen, Tabus – aus vielen Kulturen und vielen Zeiten –, es lag direkt greifbar vor mir.« Er wedelte wieder mit den Händen. »Der Mensch – sogar der Halbmensch, der radioaktive Mensch – ist ein Wesen, das das Ritual liebt, und ich kenne unglaublich viele Rituale und dergleichen. Also habe ich all das nützlich angewendet.«
    »Was wollen Sie mir damit in bezug auf uns zu verstehen geben?« fragte ich.
    »Nun, es wurde ein bißchen langweilig hier«, sagte er, »und die Eingeborenen wurden allmählich ein wenig rastlos. Also beschloß ich, daß es an der Zeit für eine neue Zeremonie sei. Ich sprach mit Prokrustes, dem Kriegshäuptling, und schlug vor, er solle uns ein paar Gefangene besorgen. – Nun, wir haben hier die Zunge eines Dichters, das Blut zweier gefürchteter Krieger, das

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