Fluch des Magiers
werden, denn ich rufe den versammelten Synod zur Abstimmung auf. Wer ist für mich und wer gegen mich?«
Es war eine Drohung, die alle verstanden. Trotzdem hoben mehrere Damen ihre Hand zum Protest. Doch mehr als drei Viertel der Priesterinnen stimmten ihrer Oberin zu.
»Damit ist es beschlossen«, erklärte diese und griff nach Tharons Brief. »Ich will doch sehen, was der schwarze Evari Yahyeh schreibt.«
Mit diesen Worten erbrach sie das Siegel. Im selben Augenblick ertönte ein schrilles Pfeifen, das allen im Raum in den Ohren gellte. Gleichzeitig stob eine kleine, schwarze Wolke auf und hüllte die Oberpriesterin ein.
»Was ist das für eine Tenelinerei?«, kreischte eine der Priesterinnen auf.
Da löste sich die schwarze Wolke wieder auf, und sie sahen die Oberpriesterin starr und leicht schwarz glänzend auf ihrem Stuhl sitzen. Es dauerte noch ein paar Augenblicke, bis sie erkannten, dass die Frau durch einen Zauber versteinert worden war.
»Oh große Mutter Ilyna, wie konnte das geschehen?«, fragte die Stellvertreterin entsetzt.
»Es war dieser Brief!« Temasin deutete angstvoll auf das Schreiben, das mit unversehrtem Siegel zwischen den zu Stein gewordenen Fingern der Oberpriesterin hing.
Keine der anderen Priesterinnen wagte es zunächst, es zu berühren. Schließlich ermannte Engara sich und zog es mit spitzen Fingern aus den Händen ihres Oberhauptes. Noch während sie es tat, erklang eine zürnende Männerstimme.
»Dies sind die Worte Tharons, des schwarzen Evari! Jeder, der es wagt, sich an meiner Botschaft an die hohe Evari Yahyeh zu vergreifen, wird in Stein verwandelt. Dieser Zauberbann kann nur durch Yahyeh oder mich gelöst werden.«
Nachdem Tharon geendet hatte, herrschte eine Stille im Raum, dass selbst die Spinnen es nicht wagten, sich zu regen, aus Angst, sie könnten gehört werden. Erst nach einer geraumen Weile stellte eine Priesterin die Frage, die alle bewegte.
»Was machen wir nun?«
»Wie es aussieht, müssen wir Yahyeh rufen, damit sie diesen Zauber löst«, schlug Engara vor.
»Niemals!«, stieß Temasin hervor. »Yahyeh ist ein Popanz, den keiner ernst nehmen kann.«
»Wollt Ihr vielleicht lieber Tharon holen?«, fragte Engara schneidend.
Temasin schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Wir bringen unsere verehrte Oberpriesterin in einen versteckten Raum und senden dem erhabenen Herrn Frong Nachricht. Er wird Rat wissen.«
Etliche andere Priesterinnen stimmten ihr zu. Dabei stellte sich heraus, dass Engaras Anhängerschaft um einiges kleiner war als die der Hüterin der Stammtafeln. Trotzdem versuchte die zweite Priesterin noch einmal, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen.
»Ich schlage vor, dass wir die Lage im Süden neu überdenken und dem Mann, der mitgeholfen hat, den Fluch von Rhyallun zu brechen, doch die beiden gewünschten Fürstentümer übertragen. Es würde die Dankbarkeit des blauen Tempels beweisen und allen Achtung einflößen!«
»Sonst noch etwas?«, rief Temasin empört. »Wir werden nicht gegen den erklärten Willen unseres Oberhauptes handeln!«
»Ist sie es noch?«, fragte eine Anhängerin der Stellvertreterin. »Immerhin ist sie zu Stein erstarrt und kann weder die notwendigen Riten abhalten noch ihre anderen Aufgaben erfüllen. Damit ist Engara die neue Oberpriesterin und kann den Weg vorgeben, den wir gehen müssen.«
»Das kann sie nicht!«, fuhr Temasin sie an. »Zwar ist unser erhabenes Oberhaupt derzeit nicht in der Lage, ihr Amt auszuüben, doch wird sie das ab dem Augenblick wieder tun, in dem sie entsteinert worden ist. Bis dahin ist es so, als befände sie sich auf Reisen und Engara würde sie bei den Riten und Zeremonien vertreten. Entscheidungen werden vom Synod der sechsunddreißig beziehungsweise von dem Sechserrat getroffen.«
»Bei denen du den größten Einfluss hast«, sagte Engara bitter.
Sie hatte begriffen, dass sie nichts ausrichten konnte, und stand daher auf. »Da der Synod im Sinne der Oberpriesterin entschieden hat, könnt ihr deren Erlass an die blauen Reiche und Priesterschaften der Dämmerlande versenden. Meine Unterschrift wird dazu wohl nicht nötig sein.«
Mit diesen Worten verließ sie den Raum. Ihre engste Vertraute folgte ihr genauso wie Jade, die die Chance ergriff, die die offenen Türen ihr boten.
Auf dem Gang blieb Engara stehen und schüttelte den Kopf. »Ich begreife nicht, weshalb diese Frauen so dumm sein können. Einem verdienten Mann die Belohnung vorzuenthalten, wird viele dazu bringen, sich
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