Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
schaffte es nicht allein und sank bald erschöpft zu Boden. Aber die Männer lösten einander ab, die Frauen holten Hämmer und schwere Keulen, und in weniger als einer halben Stunde war der weiße Stein pulverisiert. Atemlos, aufgewühlt, aßen sie alle von dem entstandenen Pulver; bis auf Te Warihi, der beschämt abseitsstand. Eine der Frauen hielt ihm ihre kleine Tochter entgegen, drückte ihren Kopf gegen das Ohr des Alten, und er hörte, wie zwischen den winzigen weichen Zähnen die Reste des großen Steins knirschend zermahlen wurden.
Dann begann der Gesang von Neuem: Tiwha, tiwha te Po!
88.
Das zweitausend Fuß hohe vulkanische Tafelland, das die Forest Ranger vier Tage lang durchqueren mussten, bestand aus trachytischem Felsgestein ohne nennenswerte Erhebungen, war dicht bewaldet und praktisch noch unerforscht. Im Gegensatz zu der gleichartigen Landschaft auf der Nordseite des Waikato, die die Eingeborenen Patetere nannten, hatte dieses Gebiet nicht einmal einen Namen. Es regnete jetzt heftig, die lockere Tonerde auf den Hügelkämmen verwandelte sich in Schlamm, den die zweihundert Männer immer mehr talabwärts traten, sodass die Hinteren nur noch schwer vorankamen und die Vorderen immer öfter auf ihre Kameraden warten mussten. Dass sie ihrem Ziel überhaupt näher kamen, sahen sie an den wenigen Stellen, die einen freien Ausblick boten, nur daran, dass sich die Silhouetten der Berge im Süden hinter den dichten Regenschleiern langsam veränderten.
An offenes Feuer und entsprechend warme Mahlzeiten war im pausenlos strömenden Regen nicht zu denken, und zur Trostlosigkeit ihres Marsches kam die Untröstlichkeit ihrer Mägen, wenn die Männer an rohen Kartoffeln nagten wie Ratten. Nach dem Gefühl, das sich in ihren durchnässten Kleidern und Seelen einstellte, bewegten sie sich schon seit einer Ewigkeit ziellos durch eine Welt aus Regen, Schlamm und finsteren Wäldern. Je höher sie kamen, desto kälter wurde es auch, und die nassen Zeltbahnen und klammen Schlafsäcke boten nur noch einen geringen Schutz gegen die Frustration, die die niedrigen Temperaturen auslösten. Vereinzelt stellten sich Erkältungskrankheiten ein, und einige Männer hatten außerdem das Pech, in die tiefen Löcher zwischen den Baumwurzeln zu treten, die im schier wegfließenden Boden nicht zu erkennen waren. Verstauchte Fußgelenke waren die Folge und verlangsamten ihre Marschgeschwindigkeit weiter.
Erst als sie den Oruanui passiert hatten und die Mihi-Ebene überquerten, besserte sich das Wetter, und am fünften Nachmittag nach ihrem Abmarsch aus Rangiawhia riss die Wolkendecke binnen weniger Minuten auf. Kräftige breite Sonnenstrahlen brachen durch und beleuchteten die grandiose, aber düstere Szenerie des oberen Waikato-Beckens. Im Süden vor ihnen lag der Taupo Lake, fünfundzwanzig Meilen lang und zwanzig Meilen breit, schon beinahe ein Binnenmeer von unerforschter Tiefe.
Taupo bedeutet: wo die Dunkelheit herrscht. Und auch die einfachsten Gemüter unter ihnen verstanden sofort, woher der Ort seinen Namen hatte. Jenseits des Sees erhoben sich eine Reihe finsterer Berge, Kuharua, Kakaramea, Pihanga, und hinter ihnen, drohend wie die Finger Gottes, die großen Vulkane Tongariro, Ngauruhoe und Ruapehu, deren sämtlich über zweitausend Meter hohe Krater Aschewolken in den Himmel bliesen. Die Pässe dieser kahlen, majestätischen Berge würden sie überschreiten, und der Gedanke, in ihrem Schatten zu wandern, erfüllte ihre Herzen mit einem geradezu kindlichen Schrecken.
Glücklicherweise erreichten sie noch vor dem Dunkelwerden die Quellen von Karapiti, und von Tempsky befahl seinen erschöpften, verdreckten, durchgefrorenen Männern, in den natürlichen, vom Wasser ausgewaschenen Felsbassins, den sogenannten Puias , zu baden. Die weißen Leiber in den dunklen, bis zu sechsunddreißig Grad warmen Quellen schienen in der tief stehenden Abendsonne zu leuchten, die Wärme von Wasser und Steinen durchströmte ihr verzagtes Fleisch bis auf die Knochen, und beides, die sonderbare Erhitzung und das unwirkliche Schauspiel, das sie einander in ihrer strahlenden Nacktheit boten, ließ sie trotz ihrer Erschöpfung schlecht einschlafen und schwer träumen.
Am nächsten Morgen schien die Sonne, sie wuschen nach ihren malträtierten Körpern nun auch ihre schmutzigen Kleider und trockneten beides auf den warmen Felsen. Selbst der
See schien im Morgenlicht nicht mehr ganz so düster zu sein. Ein Festessen mit »Dampern« und den
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