Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
hatte ein Mann diese klassischste aller Piratenflaggen entworfen, von dem die Geschichte nicht einmal einen Vornamen überliefert: Monbars, den man den Würgeengel
nannte. Herkunft und Ende dieses unheimlichen Piraten liegen im Dunkeln, nur sein pathologischer Hass auf die Spanier ist historisch. Er erschlug sie mit Vorliebe im Nahkampf, mit einer Enteraxt, und diese Art zu sterben war für seine Gegner besser, als von Monbars gefangen genommen zu werden. Denn seinen Gefangenen pflegte er den Bauch aufzuschlitzen, nur ein klein wenig, zog ein Stück Darm heraus und nagelte es an den Mastbaum. Anschließend hetzte er seine Opfer mit brennenden Fackeln so lange um den Mast herum, bis sie die sieben Meter ihrer Gedärme völlig herausgehaspelt hatten und zusammenbrachen. Unter der Flagge einer so pittoresken Gestalt ihren Geschäften nachzugehen verschaffte den weit harmloseren Schmugglern von Barataria den Vorteil eines Respekts, den niemand verdient sehen wollte.
Im Aufspüren und Auskundschaften einer gegnerischen Truppe hatte John Gowers noch nicht die Erfahrung, die er darin einmal entwickeln würde. Seine entsprechenden Fähigkeiten verdankte er im Wesentlichen einer guten Beobachtungsgabe und seinen Jagdzügen im hohen Norden; bei denen allerdings nie die Gefahr bestanden hatte, dass das aufgespürte Wild ihn unter Beschuss nehmen würde. Auch bei der Jagd auf Rentiere und Moschusochsen war es jedoch stets darauf angekommen, zu sehen, ohne gesehen, zu riechen, ohne gerochen zu werden, und so hielt er sich etwas abseits des breiten Cajunpfads, der nach New Orleans führte, und ging nach Möglichkeit mit dem Wind im Gesicht.
Schneller, als er gehofft, nein: befürchtet hatte, nämlich am Nachmittag und nur etwa acht Meilen von Barataria entfernt, wurde seine Wachsamkeit belohnt. Eine zwanglose Truppe von Berittenen und einigen Männern, die eine kleine Hundemeute führten, bewegte sich allerdings so lärmend und sorglos, dass er sie zunächst nicht für die Louisiana-Miliz, ja nicht einmal für eine Jagdpartie, sondern für eine Art Picknickgesellschaft hielt. Erst durch sein Fernglas erkannte er einige der jungen Gentlemen, deren Gesichter ihm zuerst bei ihrer Reaktion auf die »Retardierenden Erzählelemente
in ihrem Bezug zum Spannungsbogen« als weitgehend geistlos aufgefallen waren.
Zunächst glaubte er, die Männer würden Barataria noch am gleichen Abend zu erreichen versuchen, was möglich und aus ihrer Sicht auch das Sinnvollste gewesen wäre. In diesem Fall hätte er versuchen müssen, sie zu überholen, um seine Warnung noch rechtzeitig überbringen zu können. Glücklicherweise stellte er aber kurz darauf fest, dass die Louisiana-Miliz nicht immer das Sinnvollste tat, sondern ihr Nachtlager bereits aufschlug, als die Nacht noch mindestens vier Stunden entfernt war. Er vergewisserte sich, dass keine Späher vorausgeschickt wurden, rekognostizierte das Gelände rings um das feindliche Lager, fand es für einen Überfall höchst geeignet und erreichte Barataria im Laufschritt bei Einbruch der Dunkelheit.
87.
Tiwha, tiwha te Po – schwarz, schwarz ist die Nacht; aber der Prophet war bei ihnen, betete, sang mit ihnen, obwohl das eigentlich nicht möglich war. Captain Thomas hatte Befehl gegeben, Te Kooti in strenger Einzelhaft zu halten, und das Gefängnis befand sich innerhalb des Konstablerstützpunkts, anderthalb Meilen entfernt von den Hütten des Gefangenenlagers. Dennoch war er in jeder Nacht bei ihnen, ohne dass die Wachen es merkten.
Die Whakarau glaubten, dass Te Kooti sich in eine Eidechse verwandeln konnte, wie es in alten Zeiten jenen Menschen möglich war, die sich nicht nur in der wirklichen Welt, sondern auch in der Taha wairua, auf der spirituellen Ebene des Lebens, bewegten. Nur so konnte er dem Gefängnis entkommen und dennoch am nächsten Morgen in seiner Zelle sitzen, als wäre er nie fort gewesen. Nur Einzelne, Ungläubige sprachen davon, dass auch die Bestechung der Wärter bei Te Kootis Verschwinden und Wiederauftauchen eine Rolle spiele.
Es waren Männer wie der alte Keke oder Te Warihi Potini, Te Kootis Onkel, die nicht an die Botschaften des Propheten glaubten, denn beide waren schon in der Heimat, auf Aotearoa, mit ihm zerstritten gewesen. Dass er, ein Emporkömmling, nach der Repatriierung ihrer Häuptlinge die Autorität unter den Whakarau an sich gerissen hatte, ärgerte sie. Die Ehre der Führerschaft hätte eher ihnen, den Alten, zugestanden. Ein
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