Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
Person selbst bezeichneten –, um geradezu eine Porträtähnlichkeit herzustellen.
Bei der Statue blieb von Tempsky noch sehr gegenständlich, aber als er sich dem See und den Bergen zuwandte, griff er ganz bewusst nicht zu den Farben, die ihm die Wirklichkeit diktierte. Er verschob Perspektiven, zerrte hier und da wie wild an den Konturen, als wollte er etwas aus der Leinwand herausholen, anstatt etwas hineinzubringen, und hatte schlussendlich ein Gemälde angefertigt, das in seinen besseren Teilen an die magischen Landschaften eines El Greco erinnerte, ohne allerdings deren Qualität zu erreichen.
Etwas von seinem Wollen schien sich trotzdem auf Gowers zu übertragen, denn es waren jetzt keine spöttischen Bemerkungen mehr, die dem Investigator auf der Zunge lagen. Er verstand, was der Mann meinte. Insbesondere die Gestaltung des Sees, der – schwarz, blau, violett – fast wie ein Loch in der visionären Landschaft wirkte, faszinierte ihn mehr, als er zugeben wollte.
»Es ist lebendig, Sir«, lobte er den gespannt auf seine Kritik wartenden von Tempsky. »Ihr See ist lebendig und doch ohne Seele, wenn Sie verstehen, was ich meine. Fast wie das Auge eines Fisches!«
Von Tempsky starrte den Mann mit großen Augen an. War so etwas möglich? Konnte er etwas malen, an das er selbst gar nicht bewusst gedacht hatte?
»Te ika a Maui«, sagte er langsam. »Mauis Fisch. So nennen die Maori die gesamte Nordinsel. Maui ist einer ihrer antiken Götter, der große Fischer. Stand angeblich vor Urzeiten auf der Südinsel, hielt seine Angel ins Wasser und zog dann einen riesigen Fisch aus dem Meer; eben die Nordinsel. North Land bis rauf nach Cape Reinga ist der Schwanz des Fisches, und der Taupo Lake ist sein Auge!«
Gowers runzelte die Stirn.
»Ich verstehe, Sir«, sagte er, nur um irgendetwas zu sagen. Denn im Augenblick verstand er ganz und gar nichts mehr.
89.
Liebe den Damen! Tod dem Gegner! Ehre dem Edlen! Ruhm dem Tapferen!
Obwohl keine bunten Wimpel wehten oder Schilde glänzten und die Rosse nur mäßig schäumten, fühlte Dick Willoughby sich an diesem Morgen wie etwas aus einem Roman von Sir Walter Scott. Und wenn es auch nicht der edle und freie Waffengang zu Ashby de la Zouche war, zu dem die Louisiana-Miliz, Regiment Denham Parish, aufbrach – ein Dutzend Männer zu Pferd, weitere vier mit je zwei Bluthunden an der Leine –, so hatte ihr Aufbruch doch viel von der Fröhlichkeit einer englischen Fuchsjagd. Flaschen kreisten, muntere kleine Scherze flogen von Mann zu Mann, Pferd zu Pferd; sie fühlten sich prächtig, mutig, unbesiegbar stark, und das Klirren der Ketten und Halseisen, die sie mitnahmen, um sich ihre entlaufenen Nigger zurückzuholen, erinnerte immerhin von ferne an munteres Waffengetümmel und tapferen Strauß auf erzitternder Bahn.
Zwar ritten sie im Schritt, damit Hunde und Fußvolk folgen konnten, aber sie hatten nach Wochen der Ratlosigkeit endlich ein
klares und einfaches Ziel – und klare, einfache Ziele sind von entscheidendem Wert für die Moral jeder auch nur paramilitärisch organisierten Gruppe von Männern. Der Cajun, der sie führte, hatte gesagt, dass man Barataria in einem scharfen Ritt schon am späten Nachmittag erreichen könnte, aber Henry Hunter hatte sich aus mehreren Gründen für ein gemächlicheres Vorgehen entschieden. Tier und Mann seien nach einer Übernachtung im Feld frischer, und man könne die Flüchtlinge am frühen Morgen überraschen, vielleicht sogar im Schlaf. Entscheidender für das Selbstbewusstsein seiner Milizionäre war noch, dass die Operation, wenn man sie in eine zwei- oder dreitägige Länge zog, eher den Charakter eines Feldzugs erhielt, was die zuletzt stark auseinanderfallende Truppe wieder stärker zusammenschweißen würde.
So zogen sie erst am fortgeschrittenen Vormittag aus, gerieten in die größte Mittagshitze und schier unglaubliche Mückenschwärme, gegen die auch die unausgesetzt tätigen Fliegenwedel der Gentlemen kaum etwas ausrichteten. Aber selbst das unablässige Klatschen, mit dem die Männer nach den Insekten schlugen, der Schweiß, der ihnen in die Stiefel lief, die stechende Sonne auf ihrem Rücken konnten ihre Stimmung nicht drücken, denn derlei gehörte nun mal zu den Entbehrungen einer Kriegsfahrt und würde sich auch in den späteren Erzählungen darüber gut machen.
Das Lächerliche daran war, dass sie einfach keine Soldaten waren. Sie missachteten die einfachsten Gebote militärischer Logik,
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