Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
geschlagen, wahrhaftig geschlagen, mit seinem Gürtel! Auf Hüften und Gesäß! Sie zitterte vor Empörung, als sie an die entsetzliche Szene dachte, spürte auch noch ein wenig das Beißen des Riemens an den entsprechenden Körperteilen; jedenfalls, wenn sie sich sehr darauf konzentrierte, denn das Ganze lag nun schon fast zwei Wochen zurück. Seitdem war sie jeden Tag, jedenfalls jeden Tag nach Aufhebung des selbstverständlichen Hausarrestes, zum Hafen gegangen und hatte nach der Deep South Ausschau gehalten.
Sie würde nun mit ihm gehen! Auf und davon, den Fluss hinunter, aufs Meer hinaus! Eine Flößerfrau, eine Piratenbraut, entehrt, aber glücklich! Sie hätte nun ohnehin nichts mehr zu verlieren, und es gäbe für sie kein Zurück mehr!
Als er auf diese Flut von Ausbruch, Aufbruch und Abenteuer nicht anders reagierte als mit einem leichten Stirnrunzeln, sogar manchmal mitleidig zu lächeln schien, tat sie mit fliegenden Händen das Äußerste: warf die Bettdecke von sich und zog ihr Nachthemd über den Kopf, was nicht ganz einfach war, da sie ja darauf saß. Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, jung, schön, wenn auch nicht mehr in vollster Jugendblüte, warf sie sich auf das Bett zurück, und als der steinharte Mann noch immer nicht reagierte, öffnete sie mit einem leisen Seufzen, das wie ein Schluchzen klang, sogar ihre Beine.
John sah unter den kurzen schwarzen Haaren, die ihr beinahe bis zum Bauchnabel reichten, ihr jungfräuliches Geschlecht, leuchtend wie eine Rose in der Dämmerung. Er wusste, dass sie ihm ein Geschenk machte, das sie nie wieder einem Mann machen würde, wusste
auch, dass dies die Sünde war, die Gott einem Mann nicht vergibt. Kurz ging ihm durch den Sinn, was er noch vor einem Monat in dieser Situation getan hätte, ja was zu tun er gelegentlich heftig herbeigewünscht hatte. Dann deckte er das Nachthemd über diesen zu allem entschlossenen Körper und sagte: »Es tut mir sehr leid. Aber ich werde Sie jetzt nach Hause bringen!«
Es war eine zu Tode beschämte junge Dame, die mit sehr finsteren Blicken immer wieder auf den nächtlichen Straßen von St. Louis stehen blieb und mit dem Gedanken spielte, »Hilfe! Vergewaltigung!« zu schreien. Denn John Gowers hatte sie vergewaltigt; ihren Körper mit seinen Augen, ihren Geist mit seinen unromantischen Worten und ihre Seele mit seinem unmännlichen Nichtstun. Was sollte sie ihren Eltern sagen? Was ihren Freundinnen? Dorothy Simpson wurde allmählich wieder ganz die Tochter des besten Anwalts der Stadt.
Konnte er sie entführt haben? »Hilfe! Vergewaltigung! Entführung?« Aber dieser Mann am Empfang würde bestätigen, dass sie selbst das Zimmer gemietet hatte, als John Gowers noch gar nicht da war. Könnte man diesen Zeugen kaufen? Wütend blickte sie auf den jungen Mann, der vor ihr ging. Konnte sie ihm etwas über den Schädel schlagen, seine Leiche beseitigen, allen erzählen, er hätte sie vergewaltigt? Nein. Nein, ihr fiel etwas Besseres ein.
»Kommen Sie bitte endlich!?«, fragte John Gowers mit inzwischen erhobener Stimme, als Dorothy zum dritten Mal vor einem Saloon stehen blieb, aus dem noch Licht auf die Straße fiel. Einem Vater weit nach Mitternacht die entlaufene Tochter zurückzubringen war schon schwer genug. Sie würde doch wohl nicht auch noch etwas trinken wollen?!
»Helfen Sie mir, Sir«, sagte Dorothy in diesem Moment zu dem Mann, auf den sie gewartet hatte: einen angetrunkenen, aber gut gekleideten, vor allem aber jungen und kräftigen Vertreter für Düngemittel. »Dieser Mann belästigt mich!«
Das darf nicht wahr sein, dachte Gowers, als der Bursche – »Nehmen Sie die Finger von der Dame!« – auf ihn zukam und ihn von
Dorothy wegstieß. Zuerst wollte er sich zur Wehr setzen, als der andere ihm eine schallende, aber ansonsten harmlose Ohrfeige verpasste. Dann bemerkte er jedoch den gierigen Blick, der dabei in Dorothy Simpsons Augen trat, und zog es vor, umstandslos zu Boden zu gehen und liegen zu bleiben. Er rollte lediglich rasch zur Seite, um dem gefürchteten Tritt in den Unterleib zu entgehen, der solche Auseinandersetzungen in seinen Kreisen zu beenden pflegte. Aber sein Gegner war diesmal ein Gentleman.
Verblüfft starrte der junge Vertreter auf seine Hand, die noch nie mit einem einzigen Schlag so viel verändert hatte, dann nahm er bereits den Hut vom Kopf und hörte irgendwo in seinem leicht benebelten Kopf seine eigene Stimme sagen: »Jeremiah Elderton, Gnädigste! Darf ich Ihnen
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