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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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mehrheitlich besser als etwa den Arbeitern im industrialisierten England. Das lag vor allem daran, dass die Sklavenhalter des Südens, ganz im Gegensatz zu vielen Sklavereigegnern im Norden, keine Rassisten waren! Die neurotische Furcht vor dem andersfarbigen Menschen, seinem Schweiß, seinem Geruch, seinem Anblick, wäre im Süden einfach lächerlich gewesen. Schwarze Ammen säugten die Kinder ihrer Herren, schwarze und weiße Kinder wuchsen gemeinsam auf, zumindest bis letztere ins Schulalter kamen.
    Auf neun von zehn Plantagen standen die Sklavenhalter gemeinsam mit ihren Sklaven auf dem Feld, taten die gleiche Arbeit, aßen das gleiche Essen aus den gleichen Schüsseln, hockten hinter den gleichen Büschen. Ebenso besaßen neunzig Prozent der Pflanzer und Farmer jeweils nur etwa fünf oder sogar weniger Sklaven, was diese nicht nur mehr oder minder zu Familienmitgliedern, sondern auch zu ihrem wertvollsten Besitz machte. Ein guter Arbeiter kostete tausendzweihundert Dollar, und so wenig, wie ein Bankier Geld verbrennt, wäre es einem durchschnittlichen weißen Farmer eingefallen, seine Sklaven vorsätzlich zu schädigen.
    Eine Ausnahme war das Peitschen, eine bis 1850 allerdings auch in der amerikanischen Marine gepflegte Form der Bestrafung. Für einen aufsässigen Sklaven war das Peitschen die einzige vernünftige Sanktion, was hätte man anderes mit ihm tun sollen? Ihn einsperren? Der
Sklave hätte sich ins Fäustchen gelacht und im Gefängnis auf die faule Haut gelegt. Ihn verstümmeln? Auf Wasser und Brot setzen? Das hätte nur seine Arbeitskraft und damit seinen Wert gemindert. Schlimmstenfalls konnte man ihn verkaufen; etwas, was die schwarzen Familien ihr Leben lang fürchteten wie der Teufel das Weihwasser. Aber auch auf der Auktion brauchte der schwarze Teufel dann nichts weiter zu tun, als sein grimmigstes Gesicht zu machen, seine Aufsässigkeit offen zu zeigen  – und sein Preis fiel ins Bodenlose. Wer würde sich denn für teuer Geld einen faulen Stänkerer ins Haus holen?
    Von dieser moderaten, ja familiären Sklavenbehandlung unterschieden sich allein die Großgrundbesitzer; Pflanzer, die fünfzig, hundert, zweihundert und mehr Sklaven ihr Eigen nannten. Zwar pflegten auch sie ihr Eigentum mit eher patriarchaler als brutaler Strenge, aber die auf den großen Plantagen geradezu zwangsläufige Trennung zwischen Weißen und Schwarzen führte dazu, dass Letztere stärker als Nutzvieh betrachtet und ausgebeutet wurden. Auch An- und Verkauf und die damit verbundenen Spekulationen waren hier an der Tagesordnung. Mancher züchtete sogar Sklaven, um sein Kapital billig zu vermehren, und hier und da zur Abschreckung einen aufzuhängen oder totzuschlagen, betrachtete man lediglich als eine radikale Art, seine Investitionen zu schützen.
    Auf derlei Auswüchsen basierten die Vorurteile, die die weichen Gemüter im Norden gegen die Sklaverei ins Feld führten  – und nicht auf der simplen Tatsache, dass Menschen Menschen besaßen. Das hatte es immer gegeben, mochte es nun Sklaverei oder Leibeigenschaft, Frondienst oder Industriearbeit heißen; das war durch die Geschichte, ja sogar durch die Bibel gerechtfertigt. Warum hätte der Herr die Neger schwarz erschaffen sollen, wenn er nicht wollte, dass sie für die Weißen arbeiteten, den Weißen gehörten? Dass dieses Eigentum auch verpflichtete, zu seiner Versorgung, zu Hege und Pflege, Güte und Strenge, stand ja außer Frage. Wenn sie von Puritanern, Katholiken und Evangelikalen auch unterschiedlich beantwortet wurde.
    Ausgesprochen sensibel und einhellig missbilligend reagierte hingegen der gesamte Süden, arme wie reiche Pflanzer, lediglich darauf,
wenn Sklaven flüchteten  – was man vielleicht nachvollziehen kann, wenn man sich vorstellt, dass das Geld in der eigenen Brieftasche Beine bekommt und einem wegläuft.

18.
    Seit er keinen Boden mehr unter den Füßen spürte, hatte Nathan mehrfach das Bewusstsein verloren. Seine Peiniger hatten dann eine brennende Kerze unter seine Fußsohlen gehalten, und das Zucken seines eigenen Körpers hatte ihn wieder zu sich gebracht. Die Schmerzen des Versengtwerdens waren jedoch nur Nadelstiche gegen die Qualen, die seine unwillkürlichen Bewegungen auslösten. Der Haken, an dem er hing, drohte ihn bei lebendigem Leib zu zerreißen, ihm die Rippen, den Brustkorb, die Wirbelsäule aus dem Körper zu brechen, wie man einen Fisch entgrätet.
    Nathan hatte viele Fische entgrätet, bei Tisch, und das Bild deutlich

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