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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Stammrolle nicht eingetragen.
    »Vermutlich hat er einen falschen Namen angegeben«, mischte sich ein junger Konstabler ein, als wäre dieser Sachverhalt irgendeinem der Beteiligten unklar. »Gucken wir uns die Männer doch einfach mal einzeln an!«
    Er machte zwei Schritte, um sich nach achtern und in die Mannschaftsquartiere zu begeben, blieb aber wie angewurzelt stehen, als sich ein Bowiemesser weniger als einen halben Meter
neben seinem Kopf in den Großmast bohrte. Selbst diejenigen, die ihn gut kannten, hatten kaum die Bewegung gesehen, mit der Manu-Rau das Messer geschleudert hatte.
    »Komische Dinger … Fliegen«, sagte der seltsame Offizier jetzt scheinbar ganz unvermittelt. »Ich kann kein positives Verhältnis zu den Biestern entwickeln. Entweder sie sind mir egal, oder sie gehen mir auf die Nerven.« Beinahe schlendernd trat er dem Polizisten in den Weg und zog langsam die Klinge aus dem Holz. Er lächelte. »Ich glaube, wenn die Fliegen das wüssten, würden sie alles tun, um mir egal zu bleiben!« Er hielt dem noch immer konsternierten Beamten das Messer unter die Nase, an dessen Spitze tatsächlich die Reste einer Fliege klebten.
    Der Konstabler schluckte schwer, als die Bedeutung der Worte nach und nach sein Bewusstsein erreichte, und machte keinen zweiten Versuch mehr, von Tempskys Soldaten in Augenschein zu nehmen.
    »Lassen Sie’s gut sein, Billings«, sagte der Sergeant langsam und ließ die Liste sinken. »Sieht so aus, als wäre der Mann nicht an Bord!«

52.
    Am frühen Abend, das Land war noch nicht außer Sicht, aber die Seekrankheit hatte die ersten der neuen Soldaten bereits schwer gepackt, kam von Tempsky, dem es in der Kajüte zum Lesen zu dunkel und stickig war, noch einmal an Deck. Er hatte sich nicht umgezogen, nur den Gürtel mit seinen Waffen abgelegt und Goethes Gesammelte Werke , Band VII, unter den Arm geklemmt.
    Die frische Brise spielte mit den dünnen Rauchwolken, die aus der Pfeife und seinem Mund aufstiegen. Er schnüffelte kurz, aber auch achtern war die Luft nicht besonders. Zu viele Männer hingen bäuchlings über der Reling. Also ging er nach vorn,
um sich ein gemütliches Plätzchen am Fockmast zu suchen. Als er dort ankam und gerade um die Kombüse herumbog, stutzte er plötzlich, weil er für eine Sekunde glaubte, seinem eigenen Spiegelbild gegenüberzustehen.
    Der Mann hatte seine Größe und seine Figur, eine Pfeife im Mund und ein Buch unter dem Arm. Seine Aufmachung war ähnlich nachlässig, sogar eine alte Feldmütze trug er auf dem Kopf. Die hatte allerdings einen schmalen Schirm, und sein Haar war etwas dunkler, etwas kürzer. Verblüfft musterten die beiden Männer einander fast eine halbe Minute lang.
    Der wesentlichste Unterschied blieb wahrhaftig die Mütze; 4th Illinois Scouts , entzifferte von Tempsky mit Mühe den auf den Schirm aufgestickten, fast völlig verblassten Schriftzug. Dann lächelte er.
    »John Smith der Vierte oder Fünfte, nehme ich an?!« Aber sein Gegenüber schüttelte den Kopf.
    »Williams, Sir, Joseph B.«
    Beide zogen an ihren Pfeifen, die zu verlöschen drohten.
    »Der Name klingt beinahe echt«, sagte von Tempsky anerkennend.
    »Der ist auch echt, Sir«, erwiderte John Gowers, der seinen Taufnamen indes seit seinen Tagen als Telegrafist kaum noch benutzt hatte.
    »Was lesen Sie Gutes, Mr. Williams?«
    Wortlos hielt Gowers das Buch hoch, das im Augenblick sein Verhältnis zu Gott und der Welt und seinem eigenen ruhelosen Gewissen am besten beschrieb: Cain: A Mystery.
    »Byron!«, rief von Tempsky überrascht und fügte mit gewohnter Heiterkeit hinzu: »Dürfte eines der ersten Exemplare sein, die in Neuseeland eingeführt werden.«
    »Und Sie, Sir?« Gowers deutete auf den Band, den der Kommandant in der Hand hielt.
    »Oh, Goethe«, sagte von Tempsky und zeigte dem seltsamen Rekruten das Buch. »Kennen Sie ihn?«
    »Leider nein, Sir«, erwiderte Gowers und erinnerte sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder an die endlose Nacht des Nordens und ein Gespräch mit dem deutschen Missionar Miertsching. »Obwohl man mich mal vor ihm gewarnt hat.«
    »Sie kannten sich, wissen Sie.« Von Tempsky deutete zwischen den Büchern hin und her, als stünden sich der alte und der junge Faust leibhaftig gegenüber. »Haben sich gegenseitig Gedichte geschrieben und all das.« Er erinnerte sich dunkel zumindest an ein Gedicht Goethes, das Byron gewidmet war, aber mehr als die ihn damals unmittelbar ansprechenden Verse »Liebt den Säbel, liebt das

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