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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Schwert, freut sich der Gewehre« fiel ihm beim besten Willen nicht ein, und so verzichtete er darauf, das Gespräch mit einem klassischen Zitat zu würzen.
    »Stimmt es?«, fragte er stattdessen unvermittelt. Von Tempsky ging zu Recht davon aus, dass sich der Besuch der Victorian Police herumgesprochen hatte  – zumindest bis zu dem Mann, dem er gegolten hatte.
    »Was, Sir?« Gowers wusste zwar tatsächlich, dass die Polizei an Bord gewesen war, und konnte sich denken, was, oder besser: wen sie gesucht hatte. Da die Männer noch immer von dem spektakulären Messerwurf sprachen, hatte er auch erfahren, auf welche Weise von Tempsky diese Suche unterbunden hatte. Aber was genau der Kommandant von den Polizisten erfahren hatte, konnte er unmöglich wissen.
    »Dass Sie den Mörder kennen?!«, beharrte von Tempsky. Entweder würde er jetzt seinen Ruf festigen, ein wenig seltsam zu sein, oder aber sich seiner Menschenkenntnis schmeicheln dürfen. Schon am kurzen Zögern des neuen Soldaten erkannte er, dass Letzteres der Fall war.
    »Ja«, sagte Gowers, weniger, weil er rasch ein paar richtige Schlüsse gezogen hatte und seinem Gegenüber vertraute, und mehr, um herauszufinden, was der Mann sonst noch über ihn wusste.
    »Dann sind Sie also ein Detektiv!« Von Tempsky konnte die
Freude am eigenen Scharfsinn nicht länger unterdrücken und lächelte ein wenig zu überlegen.
    »Investigator«, sagte Gowers mechanisch. »In Amerika sagen wir: Investigator.« Er trat langsam an die Reling und sah aufs Meer hinaus.
    Auch von Tempsky bewegte sich jetzt; verstaute Goethe in einer Taurolle, setzte sich darauf und fragte nach einer Weile, den Rücken behaglich an die Kombüsenwand gelehnt und die Pfeife frisch gestopft: »Was ist geschehen?«

53.
    Der Fluss hatte seinen Sänger noch nicht gefunden. Als Meschacebé war er die pittoreske Wildnis, in der französische Romanheldinnen zugrunde gingen: schuldig und entsprechend erschütternd die wilde Manon Lescaut , unschuldig und bis zum Erbrechen erbaulich die kreuzbrave Atala . Vielleicht weil der Mississippi so lange französisch gewesen war, ging es auch im ersten amerikanischen Epos, das ihm zumindest nahekam, Longfellows Evangeliné , in heroischen Versen um eine heroisch leidende Französin. Anscheinend hatten die Frauen einfach kein Glück mit dem Fluss, und es mussten Jungenbücher geschrieben werden, um ihn adäquat zu besingen.
    Sein bis auf einen gut gemeinten Versuch auf der Oberlippe noch bartloser Homer war ein Spötter erster Güte und lächelte auch als junger Mississippilotse schon so feinsinnig in die Welt, als wüsste er insgeheim, dass sein jeweiliges Gegenüber heute noch auf den Arsch fallen würde. Er hatte gerade seine erste Satire veröffentlicht  – gegen den Altvater aller Lotsen, den ehrwürdigen Kapitän Isaiah Sellers. Der alte Mann hatte im Picayune für den Geschmack seiner Lotsenkollegen einmal zu oft darauf hingewiesen, dass der Fluss sich nach seiner Erinnerung in den letzten hundertsechsundsiebzig Jahren um zweihundertzweiundvierzig Meilen verkürzt habe, und musste nun im True Delta , einer anderen in New Orleans erscheinenden Zeitung,
die spöttische Erwiderung lesen, dass das einen Durchschnitt von 1,3 Meilen pro Jahr ergebe.
    »Also kann selbst ein Blinder mit Krückstock sehen«, schrieb der Spötter, »dass der Unterlauf des Mississippi im alten Oolith-Silur, nächsten November vor genau einer Million Jahre, wenigstens eine Million dreihunderttausend Meilen lang war. Ebenso muss es jedem einleuchten, dass es in siebenhundertzweiundvierzig Jahren von Cairo bis New Orleans bloß noch eindreiviertel Meilen sein werden und die beiden Städte spätestens dann ihre Straßen zusammenlegen.«
    Der ehrenwerte Isaiah Sellers veröffentlichte nie wieder irgendetwas, und sein Widersacher stahl ihm daraufhin sogar das Pseudonym, unter dem der Kapitän fast ein halbes Jahrhundert geschrieben hatte: Mark Twain.
    Sam Clemens hatte den Lotsenberuf ebenfalls unter Horace Bixby erlernt. Trotz seiner erst einundzwanzig Jahre hieß es, er könne aus dem Stegreif und ohne Not ein Loch in den Boden lügen, »so groß wie Texas«. Dass damit nicht der Staat, sondern nur das gleichnamige Steuerdeck gemeint war, tat der Exorbitanz seiner diesbezüglichen Fähigkeiten nur wenig Abbruch.
    Er konnte den Engländer nicht leiden, und John wusste das. Umso überraschter war Gowers, als die Doc Brown , der sie am frühen Morgen des zweiten Tages bei Osceola begegneten,

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