Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
erklärt hatte, aber wahrscheinlich hatte Bran ihr genau das erzählt. Die ausdruckslose Miene seines Alpha verriet ihm, dass er ins Schwarze getroffen hatte.
» Ich habe ihr gesagt, dass sie die größeren Zusammenhänge nicht sieht«, fuhr Asil mit aufgesetzter Ernsthaftigkeit fort. » Charles ist der Einzige, der diese Aufgabe erledigen kann– und ich habe ihr auch klargemacht, dass diese Aufgabe nie wichtiger war als jetzt, wo die Augen der Welt auf uns gerichtet sind. Es ist nicht einfach, Todesfälle durch Geschichten über wilde Hunde oder Aasfresser zu vertuschen, die an der Leiche genagt haben, nachdem die Person an etwas anderem gestorben ist. Jetzt nicht mehr. Die Polizei hält Ausschau nach Anzeichen dafür, dass die Killer Werwölfe sind, und das können wir uns nicht leisten. Ich habe Anna gesagt, dass sie endlich erwachsen werden und die Realität akzeptieren muss.«
Die Muskeln an Brans Kinn zuckten. Asil hatte schon immer ein Talent besessen, Stimmen zu imitieren, und bei den letzten Sätzen hatte er Bran fast perfekt nachgeahmt.
» Also hat sie aufgegeben«, sprach Asil weiter, jetzt wieder mit seiner eigenen Stimme. » Sie ging, während ich in dem zufriedenen Wissen zurückblieb, dass sie ein schwaches Weibchen ist, das sich mehr Sorgen um ihren Gefährten macht als um das Wohl aller. So wie Frauen auch sein sollten. Es ist eigentlich nicht fair, ihnen Vorwürfe zu machen, wenn es uns stört.«
Bran schenkte ihm einen kühlen Blick, daher wusste Asil, dass er ihn mit dieser letzten Bemerkung hart getroffen hatte.
Asil lächelte reumütig und streichelte das Buch in seiner Hand. » Dann, viejito, hat sie mir erzählt, dass es Monate her ist, seitdem er das letzte Mal musiziert hat, egal auf welche Weise. Wann ist zuletzt ein Tag vergangen, an dem Charles nicht eine Melodie gesummt oder auf seiner Gitarre gespielt hätte?«
Bran wirkte schockiert. Das hatte er nicht gewusst. Er stand auf und fing an, durch den Raum zu tigern.
» Es ist eine Notwendigkeit«, sagte er schließlich. » Wenn ich ihn nicht schicke, wen dann? Meldest du dich freiwillig?«
Das war unmöglich, und sie wussten es beide. Einmal töten, oder vielleicht auch drei oder vier Mal, und Asil würde jegliche Kontrolle verlieren. Asil war zu alt, zu anfällig, um zur Jagd auf Werwölfe ausgeschickt zu werden, und würde es viel zu sehr genießen. Er konnte den wilden Geist seines Wolfes in sich spüren, der sich bei der Aussicht auf so eine Jagd, auf einen echten Kampf und das Blut eines starken Gegners zwischen seinen Fängen aufgeregt in ihm bemerkbar machte.
Bran war mit seiner Tirade noch nicht am Ende. » Ich kann keinen Alpha in das Revier eines anderen Rudels schicken, ohne dass dies zu einer Provokation eskaliert, die noch mehr Blutvergießen nach sich zieht. Ich kann nicht dich schicken. Ich kann nicht Samuel schicken, weil mein ältester Sohn noch gefährdeter ist als du. Ich kann nicht selbst gehen, weil ich jeden verdammten Alpha umbringen müsste– und ich habe nicht das Bedürfnis, jeden einzelnen Werwolf in mein persönliches Rudel zu holen. Wen soll ich schicken, wenn nicht Charles?«
Asil beugte vor Brans Wut den Kopf. » Deswegen bist du der Alpha, während ich alles tun werde, um niemals mehr Alpha zu werden.« Er stand auf, den Kopf immer noch gesenkt, während er das Buch auf dem Tisch ablegte. » Ich denke nicht, dass ich Ivanhoe noch einmal lesen muss. Ich fand immer, er hätte Rebecca heiraten sollen, die klug und stark war, statt sich für Rowena und das zu entscheiden, was seines Erachtens Sitte und Anstand entsprach.«
Damit ließ Asil Bran mit seinen Gedanken allein, denn wäre er geblieben, hätte Bran mit ihm diskutiert. Jetzt dagegen blieb dem Marrok niemand zum Streiten außer ihm selbst. Und Asil wusste, wie überzeugend Bran sein konnte.
Bran starrte auf Ivanhoe. Der Einband war blaugrau, und der Stoff zeigte deutliche Spuren seines Alters. Er ließ seine Finger über die Prägung des Titels und die kleine Zeichnung eines Ritters in der Rüstung des sechzehnten Jahrhunderts gleiten. Einst hatte das Buch auch noch einen Schutzumschlag mit einem noch unpassenderen Bild darauf besessen. Er wusste, dass innen auf dem Deckblatt eine Widmung stand, aber er öffnete das Buch nicht, um sie anzusehen. Er war sich ziemlich sicher, dass Asil lange genug hier gewesen war, um die gesamte verdammte Bibliothek nach diesem Buch abzusuchen. Charles hatte es ihm geschenkt, vor ungefähr siebzig
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