Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
ausrotten und die Dinge tun, für die unsere Regierung zu liberal ist– zu weich.«
Anna verstand es einfach nicht. Sie erinnerte sich an seinen kleinen Vortrag gestern beim Mittagessen; er hatte die Wahrheit gesagt, seine Wahrheit– und obwohl sie ihn nicht besonders mochte, hatte sie doch einen gewissen Respekt vor ihm empfunden.
Sie hätte sich an Brans Lehren erinnern sollen: Fanatiker haben nur ein Ziel: Sie lieben nichts so sehr wie ihre eigene Sache. Stell dich ihnen nicht in den Weg, ohne Schmerzen zu erwarten. Sie hatte immer gedacht, Bran spräche von sich selbst– aber sie schätzte ihn anders ein, auch wenn er sich nicht so sah. Bran war getrieben, aber er liebte seine Söhne und sein Rudel. Er verfolgte nicht nur ein Ziel.
» Erinnerst du dich an das kleine Mädchen, das wir an seinem Zopf aufgehängt haben, während wir…« Die Lust in Heuters Stimme, während er den ihr noch unbekannten Benedict zur Raserei antrieb, war realer gewesen als die ernsthafte Rede, die er am Vortag am Tisch gehalten hatte.
Anna erkannte, dass Heuter eigentlich kein Fanatiker war. Er behauptete nur, Amerika vor Monstern zu retten, um sich selbst davon zu überzeugen, dass er im Recht war, wenn er seine Lust nach Macht über andere befriedigte, sein Verlangen, anderen Leuten Schmerz und Leid zuzufügen. Mord und Vergewaltigung bildeten seinen wahren Antrieb; Amerika zu retten stellte nur eine Ausrede dar.
» Kann ich sie zuerst haben, Onkel Travis?«, fragte Benedict. » Ich mag die Mädchen lieber. Und ihr Ehemann hat mir wehgetan. Kann ich sie zuerst haben?«
» Das ist schon besser, Junge«, antwortete der alte Mann. » Achte auf deine Ausdrucksweise! Und wir schauen sie uns erst einmal an, bevor wir etwas entscheiden. Wir können eine Weile mit ihr spielen, bevor du dich von ihrem Tod nährst. Uns wird genug Zeit für alles bleiben.«
Er klang, als redete er von einem Angelausflug und nicht davon, jemanden zu foltern und umzubringen. Die Tür in der Nähe ihres Käfigs öffnete sich, und der alte Mann schaltete das Licht ein, als er den Raum betrat.
Hurra, hurra, die Bösen sind da, dachte Anna, als sie den ersten richtigen Blick auf ihre Entführer erhaschte.
Heuter sah immer noch aus wie der typische Durchschnittsamerikaner, wie ein Mensch, der alten Damen über die Straße half, obwohl sie jetzt wusste, was sich hinter dieser Fassade verbarg. Der andere junge Mann, Benedict Heuter… war groß. Größer als Charles und vielleicht fünfundzwanzig Kilo schwerer, und Charles war nun wirklich keine Bohnenstange. Irgendetwas an seinen Augen stimmte nicht, und er roch wie ein Hirsch in der Brunft. Sie fand es unangenehm, ihm in die Augen zu sehen– und das, obwohl sie fähig war, Bran niederzustarren. Es hatte nichts mit Dominanz zu tun, sondern nur mit dem Wahnsinn in seinem Blick.
Obwohl Benedicts Gesicht völlig anders aussah, erinnerten seine Miene, die Gedanken, die hinter diesen Augen lauerten, Anna an Justin, den verrückten Werwolf, der sie verwandelt und ihr… all die anderen Dinge angetan hatte, die eigentlich niemand einem Omega-Werwolf antun wollte. Nicht lange, nachdem Anna und Charles einander begegnet waren, hatte Charles Justin umgebracht. Aber selbst Jahre später litt sie noch unter Albträumen von Justins Augen.
Anna richtete ihre Aufmerksamkeit auf den anderen Fremden der Gruppe, weil Benedict ihr ein so unbehagliches Gefühl vermittelte. Der ältere Mann, dem man deutlich ansah, dass es sich um einen Verwandten der beiden jüngeren handelte– Heuter hatte ihn »Onkel Travis« genannt–, zeigte ihr, wie Heuter in vierzig Jahren aussehen würde, wenn sie ihn nicht zwischen die Zähne bekam, wie sie so dringend hoffte. Das Alter hatte diesen Mann nicht gebeugt, sondern hart gemacht. Les Heuter erschien noch ein bisschen weich; deswegen wirkte er so gesund. Dieser alte Mann hingegen bestand aus gegerbtem Leder.
Er sah gut aus, obwohl er Ende sechzig oder Anfang siebzig sein musste. Seine blauen Augen leuchteten voller Energie, und sein scharfkantiges, gut geschnittenes Gesicht mochte in jungen Jahren spektakulär gewesen sein. Jetzt strahlte es Stärke und Entschlossenheit aus. Falls Anna das Gefühl hatte, dass die Charakterstärke in seinem Gesicht einen Anflug von Wahnsinn zeigte– nun, sie musste es ja wissen.
Er bewegte sich, als sei sein Körper trotz seines Alters sehr muskulös. Und an der Körpersprache der anderen konnte sie ablesen, dass er der Alpha war. Er beherrschte sie
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