Fluch des Wolfes: Alpha & Omega 3 - Roman (German Edition)
verlängert.
Unendliche Schönheit lag in der Symmetrie seiner Züge, die von seiner silbernen Haut nicht im Geringsten eingeschränkt wurde. Nein, nicht seine Haut, obwohl diese ebenfalls fahl war. Sein gesamter Oberkörper mitsamt Gesicht war mit kurzem silbrig-weißem Fell überzogen, welches das Licht funkelnd reflektierte. Seine Haare bildeten eine Mischung aus drei oder vier verschiedenen Grautönen und fielen in Wellen über seinen Kopf und den Ansatz seines Geweihs, um dann in Locken seine unglaublich muskulösen Schultern zu umspielen.
Er war riesig. In einem normalen Haus hätte er nicht aufrecht stehen können. Wenn Onkel Travis ungefähr einen Meter achtzig groß war– und so schätzte Anna seine Größe ein–, dann war Benedict zweimal so groß, und das ohne das Geweih mitzurechnen.
Seine Kleidung war verschwunden– und Anna begriff, dass er sich wahrscheinlich überhaupt nicht verwandelt hatte, sondern nur den Tarnzauber hatte fallen lassen, den alle vom Feenvolk einsetzen konnten, um wie Menschen zu wirken. Aber seine Schultern, die Brust und sein Bauch waren mit einer silbrigen Rüstung überzogen, die sie an den Panzer eines Gürteltiers erinnerte. Sie war keine Kleidung, sondern ein Teil seiner Haut.
Von der Brust abwärts wurde das silberne Fell länger, dichter und lockte sich wie der zottige Pelz eines Büffels. Es bedeckte seine Hüften, ließ jedoch seine Genitalien zum Teil frei. Seine Beine sahen aus wie die Hinterläufe eines Büffels oder Hirsches– obwohl sie von der Größe her eher wirkten wie die der Giraffe, die Anna als Kind im Brookfield Zoo gesehen hatte.
An seinen… Knien oder Sprunggelenken wurde das Fell dann stahlgrau und noch länger, wie die Haare– Fesselbehang, das war der Begriff, den eine pferdenärrische Freundin in der dritten Klasse immer verwendet hatte– an den Beinen eines Friesen.
Seine Hufe waren gespalten wie die eines Elches. Er bog seinen Kopf zurück und streckte die Nase in Richtung Decke, wobei sein Geweih die Bewegung noch betonte. Schließlich hob er nervös ein Bein, bevor er sowohl Bein als auch Kopf wieder senkte. Dann trat er von einem Huf auf den anderen. Die Bewegung erzeugte auf dem Holzboden hohle Geräusche und hinterließ Spuren auf der polierten Oberfläche.
» Er hat einfach nur Angst«, sagte Heuter in der langsamen Sprechweise der Texaner, die er scheinbar mühelos an- und abschalten konnte. » Da draußen ist niemand. Sie sind vollkommen ahnungslos.«
Anna hatte kein Auto gehört und konnte auch nichts wittern, doch die Tür war geschlossen, und sie konnte außerhalb der Scheune sowieso kaum etwas wahrnehmen. Trotzdem vermutete sie, dass Les Heuter recht hatte. Sie wusste, dass niemand ihn mit den Morden in Verbindung brachte.
Benedict warf seinen Kopf herum und röhrte herausfordernd, wie Anna es schon einmal gehört hatte. Niemand reagierte darauf. Die einzigen Geräusche waren das entfernte Rauschen fahrender Autos und der Wind in den Blättern.
Aber Anna spürte es ebenfalls. Eine bedrohliche Aura breitete sich aus, als stünde man auf Gleisen, die schon vibrierten, obwohl der Zug noch nicht zu hören war. Es dauerte einen Moment, bis sie die Empfindung analysiert hatte: Sie war sich so sicher gewesen, dass er sie nicht finden konnte.
Er kam nicht durch das Fenster. Er warf sich wie ein Rammbock einfach durch die Wand. Alte Holzlatten bogen sich vor ihm wie Grashalme und fielen in Splittern um ihn herum zu Boden wie Zahnstocher. Sein Blick suchte nur für einen Augenblick den ihren, bevor er sich kurz umsah und schließlich auf Benedict konzentrierte.
Der Kopf des roten Wolfes senkte sich, dann knurrte er leise und so tief, dass die Gitterstäbe von Annas Käfig vibrierten.
Der Gehörnte schwenkte sein riesiges Geweih und röhrte, bevor er – trotz der Angst, die Anna wittern konnte – nach vorn sprang. Charles wartete, dann bewegte er sich gerade genug, um das Wesen an sich vorbeilaufen zu lassen. Die Hufe des Feenwesens rutschten über den harten glatten Boden, und Benedict knallte gegen den Spiegel, weil er nicht rechtzeitig abbremsen konnte.
» Les, hol meine Glock!«, blaffte Onkel Travis. » Sie ist noch mit Silberkugeln geladen.«
Heuter hatte bereits seine Waffe gezogen, doch noch gehorchte er seinem Onkel, also rannte er in Richtung Büro. Das bedeutete, dass er Charles noch nicht erschießen würde, aber die Verschnaufpause würde kaum von langer Dauer sein.
Anna konnte nichts tun. Sie war im Käfig
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