Fluch von Scarborough Fair
Die Kamelie war zartrosa– nach Zachs Ansicht eine zu blasse Farbe für Lucy. Doch Gray und Lucy lächelten einander an, und Zach warf unwillkürlich einen Blick zu Soledad. Sie war diejenige gewesen, die sich anfangs Sorgen gemacht hatte. Ob es ihr jetzt besser ging, nachdem sie Gray kennengelernt hatte?
Zach konnte es nicht sagen. Soledad schüttelte Gray völlig gelassen die Hand, ebenso wie Leo und Padraig, den sie ganz nebenbei als ihren » Bekannten aus der Arbeit« vorstellte, als würde sie ihn schon jahrelang kennen und nicht erst seit ein paar Tagen.
» Sollten wir nicht Fotos machen?«, fragte Leo.
In den nächsten zehn Minuten wurde wie wild fotografiert. Gray, wie er noch einmal die Blume an Lucys Handgelenk befestigte. Gray und Lucy neben der Treppe. Lucy allein auf der Treppe, einen roten Schuh nach vorn gestreckt und mit einem süffisanten Lächeln zu Zach, was keiner, der sich das Foto später ansah, wissen würde.
Anschließend bestand Padraig Seeley darauf, noch ein paar Familienfotos mit Gray zu machen. Padraig gab sich mit den Fotos erstaunlich viel Mühe. Einmal packte er Gray sogar an den Schultern und platzierte ihn an der Stelle, an der er ihn haben wollte. » Beugen Sie sich ein wenig über sie. Ja, so. Halten Sie den Arm so. Gut.« Er bewegte Gray wie eine Puppe, bevor er schließlich zurücktrat und das Foto schoss.
Dann gingen alle nach draußen, und von der anderen Straßenseite, wo sich mehrere Nachbarn zu Mrs Angelakis gesellt hatten, ertönte anhaltendes Jubelgeschrei, Pfeifen und Stampfen.
» Luuu-cy!«
» Ha! Das konnte auch nur dir einfallen, solche Sneakers zu tragen!«
» Megastark!«
Drei der jüngeren Kinder rannten über die Straße und baten Padraig Seeley, der immer noch die Kamera in der Hand hielt, sie zusammen mit Lucy zu fotografieren. Bei dem darauffolgenden Spektakel entging allen, die weniger aufmerksam zuhörten als Zach, Soledads scharfer Ton, als sie Gray am Arm packte und mit Blick auf den MINI Cooper fragte: » Einen Moment. Wollen Sie fahren?«
» Äh, ja–«
» Leo! Dieser junge Mann hat vor zu fahren –«
» Mrs Markowitz, bitte, warten Sie«, unterbrach Gray sie. » Hören Sie mir zu. Ich bin ein ausgezeichneter Fahrer, und wenn Sie Angst haben, ich könnte was trinken, kann ich Sie beruhigen. Ich trinke nicht. Außerdem darf man, wie Sie wissen, erst mit einundzwanzig Alkohol trinken, und sowohl beim Ball als auch bei der anschließenden Party sind Erwachsene anwesend, deshalb–«
» Soledad«, meinte Leo beschwichtigend. » Das klingt doch recht vernünftig. Wir vertrauen Lucy doch. Und wenn es ein Problem gibt, kann sie uns mit ihrem Handy anrufen.«
» Nein! Ich war einverstanden, dass sie von einem Fahrer in einer Limousine zum Ball gebracht wird«, sagte Soledad streng. » Aber so nicht.« Sie starrte Gray Spencer an, und dann holte sie tief Luft. » Okay, ich habe mich entschieden. Sie können Lucy zum Ball mitnehmen, weil Sie im Moment offenbar nüchtern sind. Aber danach– Zach?«
» Ja, Ma’am«, antwortete Zach prompt. Grays Gesicht war ganz fleckig und rot geworden, und Zach freute sich insgeheim darüber.
» Nach dem Ball wirst du Lucy zu der anschließenden Party fahren«, wandte sich Soledad an Zach. » Später wird Lucy dich dann anrufen, damit du sie abholst und nach Hause bringst, egal wie spät es ist.«
» Okay«, meinte Zach erfreut. » Kein Problem.«
» Mrs Markowitz–« Gray wirkte verärgert und beschämt zugleich.
» So wird es gemacht«, erklärte Soledad ruhig, » oder Lucy bleibt hier.«
Gray sah Lucy flehend an.
Aber Lucy beachtete ihn gar nicht und schien überhaupt nicht zuzuhören.
Stattdessen starrte sie unentwegt zur Hausecke, wo eine kleine drahtige Frau mit mattbraunem Haar in T-Shirt und langem zerlumptem lilafarbenem Rock im Gras hockte. Aber die Frau beobachtete nicht Lucy, sondern Padraig Seeley.
Neben der Frau stand ein alter verbogener Einkaufswagen, randvoll mit Plastik- und Glasflaschen.
Zach erkannte sie sofort. Es war Miranda.
Kapitel 9
Schnell schaute Zach zu Lucy, und sein Blick verriet, dass es ihm leidtat. Lucy hatte ihm erzählt, dass Miranda wieder da war, und ihn gefragt, ob sie es ihren Eltern sagen sollte oder nicht. Aber da Miranda in den letzten paar Tagen nicht aufgetaucht war, hatten sie beschlossen, es sein zu lassen, um Soledad und Leo nicht unnötig zu beunruhigen. Jetzt war klar, dass diese Entscheidung falsch gewesen war.
Lucy hielt Zachs Blick stand. Sie zuckte
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