Flucht aus dem Harem
machen.
Fröhlich wie ein Kind verließ er sie, nichtsahnend und leichten Herzens. Das war es, was sie gewollt hatte. Als sie allein war, setzte sie sich an ihren kleinen Sekretär und begann zu schreiben. Morgen früh würde jemand den Brief finden und ihn Justin überbringen lassen.
Ein paar Zeilen mussten genügen. Sie wollte, dass er wusste, dass sie ihn liebte und immer lieben würde. Sie wollte nicht, dass er von dem Handel mit dem Pascha erfuhr. Also schrieb sie von widrigen Umständen und der Macht des Schicksals. Und davon, wie sehr sie ihn liebte.
Sie hatte nicht viel zu packen, denn es gab keine greifbaren Erinnerungen an Justin. Dafür um so mehr Erinnerungen in ihrem Kopf. Und das war gut so, denn alles andere hätte ihr der Pascha gnadenlos entrissen. Aber die Erinnerungen konnte er ihr nicht nehmen.
Sich von Serena zu verabschieden, wagte Kate nicht. Sogar ein Brief barg die Gefahr, dass Serena ihn vorzeitig entdeckte und in bester Absicht alles vereitelte.
Als der Butler die Ankunft der bestellten Mietkutsche meldete, blickte sie sich ein letztes Mal wehmütig in ihrem Zimmer um. Die glücklichen Momente, die sie hier erlebt hatte, machten ihr den Abschied schwer, und das Klicken, mit dem die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, schmerzte wie ein Dolchstoß.
Langsam ging sie die Treppe hinunter. Mit jedem Schritt, den sie machte, starb ein Teil von ihr. Als sie schließlich in die Kutsche stieg, fühlte sie nur mehr eine unendliche Leere.
Trostlos kauerte sie sich in eine Ecke, und wartete, dass der Wagen anfuhr. Vorbei , das Wort drehte sich in ihrem Kopf, aus und vorbei.
Da wurde jäh der Wagenschlag aufgerissen, und Serena sprang mit einem Satz ins Innere der Kutsche. Die Tür krachte ins Schloss, und der Wagen fuhr an.
„Du sagst mir jetzt auf der Stelle, was los ist“, herrschte Serena die völlig entgeisterte Kate an. „Seit Tagen schleichst du wie ein Geist durch mein Haus, du stehst völlig neben dir, deine Augen schwimmen in Tränen, die du vor mir nicht weinen willst, und du siehst Justin mit einem Ausdruck an, der mir das Herz aus der Brust reißt und mir gleichzeitig das Blut gefrieren lässt. Also, was ist passiert?“
Jede Farbe war aus Kates Gesicht gewichen. „Du … du … darfst das nicht wissen … du musst aussteigen … sofort …“
„Das werde ich nicht tun!“ Kampflustig verschränkte Serena die Arme vor der Brust und funkelte sie zornig an.
Kates Schultern sackten nach vorne. Sie hatte keine Kraft mehr, um zu kämpfen. „Das Schreiben für Justin hatte einen Preis. Ich muss den Pascha begleiten, freiwillig und … freudig, wie er sagte. Zuerst auf seine Reise durch Europa und dann zurück nach Alexandretta. In seinen Harem.“
„Also ist er doch deinetwegen gekommen?“
„Ich weiß es nicht, darüber haben wir nicht gesprochen. Und das ist jetzt auch egal“, setzte Kate hinzu und verschlang die Finger im Schoß.
„Hast du dem Pascha gesagt, dass du Justin liebst und ihn nur deshalb begleiten wirst?“, fragte Serena pragmatisch.
„Nein, natürlich nicht.“
„Ich begleite dich zum Pascha.“
Kates Kopf ruckte hoch. „Das tust du nicht.“
„Oh doch, wenn ich dich schon hergeben muss, dann will ich ihm klar machen, dass er dich gefälligst gut zu behandeln hat.“
Diese Worte setzten Kates Verstand wieder in Gang. Serena hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Der Pascha ließ sich von niemandem Vorschriften machen. Schon gar nicht von einer Frau. Abgesehen davon, gab es noch ein ganz anderes Problem. „Er spricht kein Englisch.“
Serena wischte den Einwand mit einer unwirschen Geste beiseite. „Dann wirst du eben übersetzen. Oder irgendein anderer aus seinem Gefolge.“
Kate zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel. Obwohl es zu nichts führen konnte, tat ihr Serenas Entschlossenheit gut. Sie starrte eine Weile dumpf vor sich hin, und da hielt der Wagen auch schon wieder.
Die Wachen waren offensichtlich auf ihre Ankunft vorbereitet worden, denn sie ließen sie ohne Nachfrage passieren. Ein Lakai brachte die beiden Frauen in einen Salon, der wesentlich größer war, als jener, in dem Kate das erste Mal gewartet hatte. Schwere Kristallleuchter hingen von der Decke, und auch auf dem gedeckten Tisch in der Mitte des Raums standen zwei sechsarmige Kerzenleuchter.
Während Kate für das Ambiente keinen Blick hatte, sah sich Serena beeindruckt um. „Wenn das der Rahmen für ein kleines Tête-à-Tête ist, dann will ich gar nicht wissen …“ Sie brach ab, denn eine Tür
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