Flucht aus der Zukunft
Entdeckt am 25. Dezember 2088 in Boston, Massachusetts. Vier Stunden verhört. Angegebenes Geburtsdatum: 11. Juni 2462, angebliches Abreisedatum: 4. Mai 2490 ...
Hoffentlich hatte Donald Mortensen vor vierhundert Jahren ein schönes Weihnachtsfest erlebt. Quellen befragte wieder den Komputer. Er machte sich schon darauf gefaßt, daß er nichts über den Mann erfahren würde.
Statt dessen gab ihm der Komputer genaue Auskunft – über Beruf, Stand, Adresse und Gesundheitszustand Donald Mortensens. Nicht einmal eine Personenbeschreibung fehlte.
Schön. Es gab also einen Donald Mortensen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen falschen Namen zu wählen, als er vor vierhundert Jahren an Weihnachten in Boston auftauchte. Wenn er aufgetaucht war. Quellen warf noch einen Blick auf die Aufzeichnungen und erfuhr, daß Mortensen eine Anstellung als Automechaniker gefunden hatte (wie altmodisch, dachte Quellen), daß er eine gewisse Donna Brewer im Jahre 2091 geheiratet und fünf Kinder gehabt hatte (einfach vorsintflutlich!). Er hatte bis zum Jahre 2149 gelebt und war an einer unbekannten Krankheit gestorben.
Quellen erkannte, daß diese fünf Kinder wiederum eine Menge Nachwuchs gehabt haben mußten. Tausende von Menschen der Jetztzeit konnten von ihnen abstammen, auch er selbst oder ein Mitglied der Hohen Regierung. Wenn Quellen nun verhinderte, daß Donald Mortensen am vierten Mai auf die Reise ging ...
Er zögerte. Das Gefühl kühner Entschlossenheit, das ihn noch vor Sekunden erfüllt hatte, verließ ihn, als er an die Konsequenzen seines Tuns dachte.
Vielleicht sollte ich zuerst mit Koll und Spanner darüber sprechen, dachte er.
4
Das Zentrale Beschäftigungsregister befand sich in der großen Vorhalle eines Katastergebäudes. Das kuppelförmige Gebäude war mit einer Platinschicht übersprüht. Im Innern, entlang der Kuppelwände, sah man die Ergebnisse der Komputerberechnungen. Die Berechnungen selbst wurden anderswo durchgeführt. Ein geschäftiges, maschinelles Gehirn arbeitete Tag und Nacht daran, die Arbeitsmöglichkeiten auszuwerten und sie auf die Arbeitsuchenden abzustimmen.
Norm Pomrath nahm ein Schnellboot zur Job-Maschine. Er hätte auch gehen und eine Münze sparen können, denn Zeit hatte er. Aber er wollte es nicht. Es war ein absichtliches Verschwenden. Zeit hatte er in Hülle und Fülle. Sein Bargeld war trotz der Großzügigkeit der Hohen Regierung beschränkt. Das wöchentliche Stempelgeld, das er durch die Gnade Dantons, Kloofmans und der anderen Mitglieder der Führungsschicht erhielt, reichte aus, um die Grundbedürfnisse einer vierköpfigen Familie zu decken, aber damit war auch schon Schluß. Pomrath ging im allgemeinen sparsam mit seinem Geld um. Er haßte das Stempeln natürlich, aber da er kaum eine Möglichkeit sah, zu geregelter Arbeit zu kommen, nahm er das Geld wie jeder andere an. Auf dieser Welt verhungerte keiner, wenn er es nicht freiwillig tat – und selbst das war nicht leicht.
Pomrath hätte die Maschine wirklich nicht aufsuchen müssen. Telefonleitungen verbanden jedes Apartment mit jedem Komputer, zu dem es öffentlichen Zutritt gab. Er konnte telefonieren, um den augenblicklichen Stand der Dinge zu erfahren. Und außerdem, wenn es in seinem Beruf eine Chance gegeben hätte, wäre die Maschine von sich aus mit ihm in Verbindung getreten. Aber er zog es vor, aus dem Haus zu sein. Er kannte die Antwort der Maschine im voraus, und so war alles nur eine Geste, eine der vielen Gesten, die ihm vergessen halfen, daß er ein völlig nutzloses Mitglied der Gesellschaft war.
Suchstrahlen unter dem Boden summten, als Pomrath das Gebäude betrat. Er wurde abgetastet, identifiziert und überprüft. Wenn er auf dem Register der bekannten Anarchisten gestanden hätte, wäre er nicht bis über die Schwelle gekommen. Klammern, die aus dem Marmorboden kamen, hätten ihn sanft festgehalten, bis man ihn entwaffnet und weggeschickt hätte. Aber Pomrath hatte nichts Böses mit der Job-Maschine vor. Seine Feindseligkeit war gegen das Universum im allgemeinen gerichtet. Er war zu intelligent, um seinen Zorn an Komputern auszulassen.
Die wohlwollenden Gesichter von Benjamin Danton und Peter Kloofman strahlten aus der Höhe der Kuppel auf ihn herab. Riesige Tri-Di-Bilder hingen von der Decke. Danton wirkte trotz seines Lächelns ernst. Kloofman, dem man große menschliche Wärme nachsagte, sah angenehmer aus. Pomrath erinnerte sich an eine Zeit vor etwa zwanzig Jahren, als die
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