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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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halten Mortensen fest. Er macht den Sprung in die Vergangenheit nicht. Er hat nicht die fünf Kinder, die man ihm zuschreibt. Drei dieser fünf Kinder haben, sagen wir, bedeutende geschichtliche Richtungen eingeleitet. Einer von ihnen wird meinetwegen der Vater des Mörders von Generalsekretär Tse. Einer von ihnen wird der Großvater des Mädchens, das die Cholera nach San Franzisko einschleppte. Einer von ihnen schafft die Linie, die bei Flaming Bess endet. Wenn nun Mortensen nie sein Ziel in der Vergangenheit erreicht, wird keiner von den dreien geboren.«
    »Sehen wir es anders«, sagte Spanner. »Mortensen geht in die Vergangenheit. Er hat fünf Kinder. Zwei der Mädchen werden alte Jungfern. Das dritte ertrinkt, als es sich auf zu dünnes Eis wagt. Der eine Sohn ist ein gewöhnlicher Arbeiter und hat ein paar Kinder, die es nie zu etwas bringen, und der fünfte ...«
    »Woher wissen Sie, was es bedeutet, wenn man einen einzigen Arbeiter aus der Matrix der Vergangenheit entfernt?« fragte Koll. »Wir können nicht einmal einkalkulieren, welche Änderungen durch das Entfernen einer alten Jungfer entstehen. Wollen Sie es riskieren, Spanner? Wollen Sie die Verantwortung übernehmen?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Wir hätten jetzt schon seit vier Jahren Zeitreisende zurückhalten können, wenn wir die Aufzeichnungen nur durchgesehen hätten. Niemand hat es getan. Niemand hat es bisher vorgeschlagen. Erst unser Freund Quellen kam auf die verrückte Idee.«
    »Ich weiß nicht«, meinte Spanner. »Ehrlich gesagt, ich dachte selbst schon daran.«
    »Aber Sie sagten nichts.«
    »Na schön. Ich hatte noch nicht die Zeit, an die Folgen zu denken. Aber ich bin sicher, daß auch andere, die mit dem Zeitreisenproblem beschäftigt sind, auf den Gedanken kamen. Vielleicht ist es sogar schon durchgeführt worden.«
    »Gut«, sagte Koll. »Rufen Sie Quellen an und sagen Sie ihm, daß er für seinen Plan offiziell um Zustimmung nachsuchen soll. Dann unterzeichnen Sie.«
    »Nein. Wir werden beide unterzeichnen.«
    »Ich lehne es ab, die Verantwortung zu übernehmen.«
    »In diesem Fall muß ich das gleiche tun.«
    Sie lächelten einander kühl an. Die Schlußfolgerung war klar.
    »In diesem Fall«, meinte Koll, »müssen wir den Oberen die Entscheidung überlassen.«
    »Einverstanden. Das übernehmen Sie.«
    »Feigling!« knurrte Koll.
    »Weshalb? Quellen hat die Sache Ihnen vorgetragen. Sie haben mit mir darüber gesprochen, und meine Ratschläge haben Ihre eigenen Gefühle bestätigt. Jetzt liegt der Fall wieder bei Ihnen. Bringen Sie ihn bei den Oberen vor.« Spanner lächelte freundlich. »Sie haben doch keine Angst davor, oder?«
    Koll rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin und her. Bei seiner Autorität und Verantwortung hatte er das Recht, sich direkt an die Hohe Regierung zu wenden. Er hatte von dem Recht schon ein paarmal Gebrauch gemacht, aber immer mit Widerwillen. Natürlich sprach er mit den Oberen nicht von Angesicht zu Angesicht. Er kannte ein paar Klasse-Zwei-Leute persönlich, aber der Kontakt mit Klasse Eins erfolgte über den Bildschirm. Einmal hatte Koll mit Danton gesprochen und dreimal mit Kloofman, aber er war keineswegs sicher, ob es sich bei den Gestalten um echte Menschen handelte. Wenn jemand sagte, er sei Kloofman, wenn er mit Kloofmans Stimme sprach und den Bildern von Kloofman ähnlich sah, bedeutete das noch nicht, daß es einen Menschen namens Peter Kloofman überhaupt gab.
    »Ich werde anrufen und sehen, was sich ergibt«, meinte Koll.
    Er wollte den Anruf nicht von seinem eigenen Schreibtisch aus machen. Plötzlich verlangte es ihn nach Bewegung. Koll stand auf, etwas zu hastig, und ging hinaus, hinunter in die Halle, wo eine verdunkelte Telefonzelle stand. Der Schirm flackerte hell auf, als er auf die Taste drückte.
    Man wagte es natürlich kaum, den Hörer aufzunehmen und Kloofman anzurufen. Man hatte dazu eigene Verbindungsleute. Kolls Kontakt zur Spitze erfolgte über David Giacomin, den Vizekönig für internationale Verbrechensbekämpfung. Giacomin gehörte zur Klasse Zwei und existierte tatsächlich. Koll hatte ihn gesehen, er hatte sogar zwei Stunden in seinem Privatreich in Ostafrika verbracht – eines der denkwürdigsten und quälendsten Ereignisse in Kolls ganzem Leben.
    Er wählte Giacomins Nummer. In weniger als einer Viertelstunde zeigte sich der Vizekönig auf dem Schirm und lächelte auf Koll herab – in der jovialen Art, die sich nur ein Mitglied der Klasse Zwei leisten

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