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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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der Ladenbesitzer wohlwollend zusah.
    »Ihre Schwester war gestern hier«, sagte Greevy.
    »Helaine? Ich habe sie in letzter Zeit selten gesehen.«
    »Sie sieht nicht gut aus, Herr Kriminalsekretär. Schrecklich mager. Ich wollte ihr etwas Stärkendes verkaufen, aber sie nahm es nicht. War sie schon bei den Ärzten?«
    »Ich weiß wirklich nicht«, sagte Quellen. »Ihr Mann hat doch eine medizinische Ausbildung. Er ist zwar kein Arzt, aber doch ein Techniker, und er würde es erkennen, wenn ihr ernstlich etwas fehlte. Wenn er noch denken kann.«
    »Das ist unfair, Herr Kriminalsekretär. Ich bin sicher, daß Mister Pomrath glücklich wäre, wenn er Arbeit bekäme. Ich weiß es. Niemand legt gern die Hände in den Schoß. Ihre Schwester sagt, daß er sehr unter der Arbeitslosigkeit leidet. Ich sollte es Ihnen zwar nicht sagen –« Er beugte sich flüsternd zu ihm herüber – »aber man ist in Ihrer Familie etwas verbittert über Sie. Man glaubt vielleicht, daß Sie mit Ihrem politischen Einfluß ...«
    »Ich kann nichts für sie tun. Überhaupt nichts!« Quellen merkte, daß er zu laut sprach. Was ging es diesen verdammten Krämer an, ob Norman Pomrath Arbeit hatte oder nicht? Weshalb mischte er sich ein? Quellen beherrschte sich mühsam. Er entschuldigte sich für seinen Zornesausbruch und verließ den Laden.
    Auf der Straße blieb er einen Augenblick stehen und sah der vorbeiströmenden Menge zu. Die Kleider glänzten in allen Farben. Man hörte alle Sprachen. Die Welt war ein riesiger Bienenstock. Trotz aller Geburtenbeschränkungen schien das Gewimmel täglich stärker zu werden. Quellen sehnte sich nach der stillen Oase, die er sich unter so großen Opfern erworben hatte. Je mehr er von den Krokodilen sah, desto weniger konnte er den Mob ertragen, der sich durch die überfüllten Städte schob.
    Und dennoch war es eine geordnete Welt. Jeder hatte seine Nummer. Jeder war registriert. Jeder wurde überwacht. Wie konnte man auch eine Welt von dreißig Milliarden regieren, wenn man ihr nicht eine gewisse Ordnung gab? Und doch wußte Quellen aufgrund seiner Stellung, daß unter dieser geordneten Oberfläche alle Arten von illegalen Dingen vorkamen – nicht, wie bei ihm selbst, der verständliche Versuch, aus der Masse auszubrechen, sondern verbrecherische, unverzeihliche, lasterhafte Dinge. Man brauchte nur an die Drogen zu denken. In allen fünf Kontinenten waren Labors dabei, neue Zusammensetzungen herzustellen, sobald eine Droge verboten wurde. Gerade jetzt brachten sie wieder ein paar teuflische Alkaloide auf den Markt, und sie machten es auf die gemeinste Art. Da ging ein ahnungsloser Mensch in eine Traumbar und hoffte auf eine halbe Stunde Halluzinationen. Statt dessen handelte er sich eine Sucht ein. Oder eine Frau wurde in einem Schnellboot von einem Mann angerempelt und tat es als plumpe Annäherung ab. Zwei Tage später mußte sie entdecken, daß sie süchtig geworden war, und die Ärzte hatten alle Mühe, das Gift zu analysieren.
    Verbrechen, dachte Quellen. Häßliche, unmenschliche Dinge. Wir besitzen keine Menschlichkeit mehr. Wir tun anderen grundlos weh, nur aus einem sadistischen Trieb heraus. Und wenn wir Hilfe suchen, stoßen wir auf Angst und Ablehnung. Bleibt mir fern! Laßt mich in Ruhe!
    Und nun dieser Lanoy. Quellen griff nach dem kleinen Zettel. Irgend etwas war hier faul, aber der Mann ging so vorsichtig vor, daß er bis jetzt noch nicht die Aufmerksamkeit des Kriminalsekretariats auf sich gelenkt hatte. Was sagte der Komputer über Lanoy? Wie gelang es diesem Lanoy, seine illegale Tätigkeit vor seiner Familie oder seinen Zimmergefährten zu verbergen? Bestimmt lebte er nicht allein. Ein Gesetzloser befand sich sicher nicht in Klasse Sieben. Lanoy war irgendein schlauer Prolet, der zu seiner privaten Bereicherung ein Schwindelgeschäft betrieb.
    Quellen fühlte eine merkwürdige Verbundenheit zu dem unbekannten Lanoy, so sehr er auch vermied, das zuzugeben. Lanoy mischte also auch im Spiel der Großen mit. Sicher lohnte es sich, ihn kennenzulernen.

 
6
     
    Peter Kloofman lag ausgestreckt in einer großen Wanne mit Nährflüssigkeit, während die Techniker seine Lunge auswechselten. Sein Brustkorb war aufgeklappt, und die Angeln hielten ihn offen. Es war, als reparierte man einen Roboter. Aber Kloofman war kein Roboter. Er bestand aus Fleisch und Blut, wenn auch seine Sterblichkeit sehr heraufgesetzt war. Im Alter von hundertzweiunddreißig hatte Kloofman schon so oft einen Organwechsel

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