Flucht aus der Zukunft
Quellens Arbeit, sonst wäre die Abteilung schon längst ruiniert.
Eines allerdings überraschte an Quellen: Er war zu einem Verbrechen fähig. Das hatte Brogg verblüfft. Er hatte es nicht für möglich gehalten. Ein Fleckchen in Afrika – dazu mußte man Eintragungen fälschen, einen illegalen Stati-Dienst von Appalachia nach dem Kongo einrichten, Ausreden erfinden und vieles mehr. Das zweite Leben, das Quellen in Afrika lebte, erschien Brogg so kühn, daß er immer noch nicht verstehen konnte, wie sein schwächlicher Vorgesetzter das alles zuwege gebracht hatte. Die einzige Erklärung war, daß Quellen sich so von dem Leben in Appalachia abgestoßen fühlte, daß er alles riskierte, um ihm zu entfliehen. Selbst ein Feigling konnte zu unerwarteter Größe wachsen, wenn seine Bequemlichkeit bedroht wurde.
Brogg hatte Quellens großes Geheimnis rein durch Zufall entdeckt, obwohl natürlich eine gewisse Verräterei dabeigewesen war. Er hatte eine Zeitlang geahnt, daß mit Quellen etwas nicht stimmte, aber er hatte nicht gewußt, worum es sich handelte. Er hatte auf eine verbotene religiöse Aktivität getippt und vermutet, daß Quellen einer jener Sekten angehörte, die in dunklen Häusern zusammenkamen, um Flaming Bess, die abscheuliche Feuergöttin, zu verehren.
Brogg wußte nichts Bestimmtes, aber er bemerkte an Quellens Benehmen eine eigenartige Zurückhaltung und Verteidigungsbereitschaft, und er nahm sich vor, die Situation zu seinem Vorteil auszunützen. Er hatte hohe Ausgaben. Brogg war ein Mensch mit einem Hang zur Wissenschaft. Er beschäftigte sich gründlich mit der römischen Antike und sammelte Bücher und Münzen. Es kostete viel Geld, heutzutage noch etwas Echtes aufzutreiben. Brogg lebte immer am Rande des Bankrotts. Und so war ihm der Gedanke gekommen, Quellen anzuzapfen.
Zuerst hatte Brogg mit Quellens damaligem Zimmergenossen gesprochen – denn Quellen war noch nicht befördert worden und mußte wie jeder Junggeselle seiner Klasse die Wohnung mit einem anderen teilen. Bruce Marok hatte zwar auch das Gefühl, daß etwas Merkwürdiges vorging, aber er konnte keine Einzelheiten verraten. Er schien wirklich nicht viel zu wissen. Dann kam Quellens Beförderung, und Marok konnte nicht mehr spionieren.
Brogg kam auf die Idee, seinem Boß einen Horcher zu verpassen. Und nun konnte er in Ruhe abwarten.
Die Wahrheit kam ziemlich bald heraus. Quellen hatte unter einem Pseudonym ein Stück Land in Afrika erworben. Der größte Teil Afrikas war als Privatland für die Mitglieder der Hohen Regierung reserviert – besonders der tropische Teil, der während des Sporenkriegs vor mehr als hundertfünfzig Jahren völlig entvölkert worden war. Quellen hatte sich sein Stück vom großen Kuchen abgeschnitten. Er hatte sich ein Haus bauen lassen und konnte mit einem verbotenen Stati-Feld im Nu über den Atlantik flitzen. Natürlich würde Quellens Versteck eines Tages von den Überwachungstruppen entdeckt werden. Aber dieser Teil des Landes sollte erst in etwa fünfzig Jahren neu untersucht werden, und bis dahin bestand wenig Gefahr für Quellen.
Brogg verbrachte ein paar spannende Wochen mit der Verfolgung von Quellens Bewegungen. Er hatte zuerst angenommen, Quellen würde Frauen in sein Versteck mitnehmen und kultische Orgien feiern, aber nein, er ging allein hin. Er suchte einfach Frieden und Einsamkeit. Irgendwie hatte Brogg Verständnis für Quellens Wunsch. Aber er hatte auch seine eigenen Wünsche, und er war kein übermäßig sentimentaler Mensch. So ging er zu Quellen.
»Denken Sie an mich, wenn Sie das nächste Mal nach Afrika gehen«, sagte er einfach. »Ich beneide Sie, Kriminalsekretär.«
Quellen keuchte erschrocken. Dann fing er sich wieder. »Afrika? Wovon sprechen Sie denn, Brogg? Was sollte ich in Afrika?«
»Ausspannen, der Menge entfliehen. Habe ich recht?«
»Ich finde Ihre Anschuldigungen unpassend.«
»Ich habe Beweise«, sagte Brogg. »Wollen Sie sie hören?«
Schließlich trafen sie eine Übereinkunft. Für eine großzügige monatliche Zahlung würde Brogg den Mund halten. Das war vor ein paar Monaten gewesen, und Quellen zahlte seitdem regelmäßig. Solange er es tat, hielt Brogg seine Abmachung ein. Er hatte kein Interesse daran, Quellen anzuzeigen. Als Geldquelle war er ihm weit nützlicher als in irgendeinem Rehabilitations-Zentrum. Da er seine Studien durch Quellens Schweigegeld leichter fortsetzen konnte, hoffte Brogg, daß niemand sonst hinter das Geheimnis kommen würde.
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