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Flucht aus der Zukunft

Flucht aus der Zukunft

Titel: Flucht aus der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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daß er sich die Wunde selbst beigebracht hat. Ein paar Tage später stirbt er mit den Worten: »Mein Gott! Daß ich so in Schmach und Schande sterben muß!«
    Quellen spannte die Spule aus. Schweine, Hunde, Prinzessin Caraboo, Kaspar Hauser – es war ganz unterhaltend. Man konnte zu der Überzeugung kommen, daß in der ganzen menschlichen Geschichte Zeitreisende herumirrten – nicht nur in einer Periode zwischen 1979 und 2106. Schön. Aber diese Tatsachen trugen wenig dazu bei, Quellens unmittelbare Probleme zu lösen.
    Er wählte Judiths Nummer. Ihr Gesicht erschien auf dem Bildschirm, blaß, nüchtern, ernst. Man konnte Judith keineswegs hübsch nennen. Ihr Nasenansatz war zu hoch, die Stirn etwas vorgewölbt, die Lippen wirkten schmal, und das Kinn war zu lang. Ihre Augen standen sehr weit auseinander. Aber dennoch war sie sehr anziehend. Quellen hatte schon ernsthaft überlegt, ob er sich in sie verlieben sollte. Doch das hatte seine Schattenseiten. Wenn er einem Menschen seine Gefühle anvertraute, mußte er über kurz oder lang sein Versteck in Afrika verraten. Und das wollte er nicht. Judith dachte sehr streng. Sie würde ihn vielleicht anzeigen.
    »Hast du dich vor mir versteckt, Joe?« fragte sie.
    »Ich war sehr beschäftigt. Arbeit über Arbeit. Es tut mir leid, Judith.«
    »Übernimm dich nicht. Ich bin auch allein ganz gut zurechtgekommen.«
    »Das glaube ich gern. Was macht dein Arzt?«
    »Dr. Galuber? Dem geht es gut. Er würde dich gern kennenlernen, Joe.«
    Quellen versteifte sich. »Tut mir leid, Judith, ich glaube nicht, daß ich eine therapeutische Behandlung brauche.«
    »Schon zum zweitenmal, daß dir etwas leid tut.«
    »Es tut mir ...«, begann Quellen, und dann lachten sie beide.
    »Du solltest Dr. Galuber auch privat kennenlernen«, sagte Judith. »Er kommt zu unserem nächsten Treffen.«
    »Und wann findet das statt?«
    »Heute abend. Kommst du hin?«
    »Du weißt, daß ich den Erbrechens-Kult nicht sonderlich reizvoll finde, Judith.«
    Sie lächelte frostig. »Ich weiß. Aber es wird Zeit, daß du ein wenig aus deinem Schneckenhaus hervorkommst. Du bist zu viel allein, Joe. Wenn du Junggeselle bleiben willst, ist das deine Sache, aber deswegen brauchst du doch nicht gleich wie ein Eremit zu leben.«
    »Wenn ich eine Münze in einen therapeutischen Komputer stecke, bekomme ich den gleichen tiefschürfenden Rat.«
    »Schon möglich. Kommst du nun zu unserem Treffen?«
    Quellen dachte an den Fall, den er erst vor einer Stunde studiert hatte – an dem ein Kult-Teilnehmer Glaskristalle verteilt und die Todesqualen seiner Kultgenossen beobachtet hatte. Er stellte sich vor, wie er sich vor Schmerzen wand, während Judith herzzerbrechend weinte und klagte, wie es ihr Kult gebot.
    Er seufzte. Eigentlich hatte sie recht. In letzter Zeit hatte er zu allein gelebt. Er mußte einmal von der Arbeit Abstand gewinnen.
    »Gut«, sagte er. »Ich komme zu eurem Treffen, Judith.«

 
9
     
    Stanley Brogg hatte einen turbulenten Tag gehabt.
    Der Untersekretär bearbeitete mehrere von Quellens heißen Fällen gleichzeitig, aber das machte ihm nichts aus. Er liebte die Arbeit. Insgeheim hatte er das Gefühl, daß er und Spanner die Abteilung in Schwung hielten. Sie gehörten beide der gleichen Kategorie an – große, unerschütterliche Männer, die mit Methode arbeiteten und in Krisenzeiten die Nerven nicht verloren, weil sie zuviel Fett besaßen, um sich aufzuregen. Natürlich, Spanner stand an der Verwaltungsspitze, während er nur ein kleiner Angestellter war. Spanner war Klasse Sechs, Brogg Klasse Neun. Und doch betrachtete sich Brogg als Spanners Kampfgenosse.
    Die beiden anderen, Koll und Quellen, waren eigentlich überflüssig. Koll war boshaft und haßerfüllt, ein Mensch, der aus Rache für seine häßliche, kleine Gestalt überall sein Gift verspritzte. Er hatte natürlich seine Fähigkeiten, aber seine Neurose machte ihn gefährlich und nutzlos. Wenn jemand eine Zwangstherapie brauchte, dann war es Koll. Brogg verglich ihn oft mit Tiberius: ein Mensch voll Verachtung und Gefährlichkeit, nicht gerade verrückt, aber doch so sonderbar, daß man ihn meiden sollte.
    Wenn er Koll mit Tiberius verglich, dann war Quellen Claudius: liebenswürdig, intelligent und schwach. Brogg verachtete seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Quellen war ein Zauderer, der nicht auf seinen Posten paßte. Hin und wieder konnte er mit Energie und Entschlossenheit vorgehen, aber das waren Ausnahmen. Brogg tat seit Jahren

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