Flucht aus der Zukunft
Wahrscheinlich brach alles zusammen wie damals, als Samson mit den Schultern an die Tempelsäulen stieß. Es hätte Brogg sicher amüsiert, wenn er gewußt hätte, daß der augenscheinlich so schwache Quellen den gleichen rebellischen Gedanken gehabt hatte. Es steckte eine große Macht in dem Wissen, daß ein kleiner Angestellter durch einen kleinen Ungehorsam die Sicherheit der Hohen Regierung aufs Spiel setzen konnte. Aber weder Quellen noch Brogg gaben ihren Impulsen nach. Gehorsam nahmen sie von einer weiteren Verfolgung Mortensens Abstand. Mortensen würde am vierten Mai in die Vergangenheit abreisen, und der Zeitablauf blieb erhalten.
Außerdem wurde Brogg auf eine neue Spur gesetzt.
Es war heute herausgekommen. Ein Prolet namens Brand, Klasse Fünfzehn, hatte in einem Saloon zu viel getrunken. Leeward, der sich selbst an der Theke erfrischte, hatte zugehört, wie Brand große Worte über Lanoy führte. So erhielt Leeward ohne technische Hilfsmittel einen wichtigen Hinweis und teilte ihn Brogg mit.
»Lassen wir uns diesen Brand einmal herkommen«, sagte Brogg, als Leeward fertig war. »Bleiben Sie im Büro. Ich hole ihn selbst.«
Brogg liebte diese Art von Arbeit. Er spürte Brand auf, sah ihn sich an und wog die Möglichkeiten der Annäherung ab. Nach einigem Zögern sonderte er ihn aus der Menge ab, wies sich als Regierungsmitglied aus und bat den Mann, ihm zu folgen. Brand sah ihn erschreckt an. »Aber was habe ich denn getan?« fragte er. »Nichts, gar nichts.«
»Wir wollen Ihnen ja nichts tun«, versprach ihm Brogg. »Wir stellen Ihnen nur ein paar Fragen.«
Er nahm Brand mit. Als er das Sekretariatsgebäude erreichte, erfuhr er, daß Quellen einen neuen Befehl gegeben hatte.
»Er will, daß wir seinem Schwager einen Horcher andrehen«, sagte Leeward.
Brogg grinste. »Nepotismus sogar bei der Verbrechensbekämpfung? Schämt sich der Mann überhaupt nicht?«
»Ich konnte es mir gar nicht erklären«, meinte Leeward ruhig. »Aber er sagt, daß sein Schwager die Absicht hat, den Sprung zu wagen. Das will er überprüfen. Deshalb sollen wir ihn mit einem Horcher versehen und den Monitor Tag und Nacht laufen lassen. Norman Pomrath heißt der Mann. Ich habe mir bereits die Unterlagen besorgt.«
»Schön. Wir kümmern uns sofort um Pomrath.«
»Pomraths angeblicher Kontaktmann ist Lanoy. Das sagte wenigstens Quellen.«
»Sieht so aus, als sei jeder in Kontakt mit Lanoy. Wußten Sie, daß sogar Quellen angesprochen wurde?« Brogg lachte. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihm zu sagen, daß auch Mortensen mit Lanoy verhandelte, aber es wird ihn wohl kaum überraschen. Und dieser Prolet, den Sie entdeckten, dieser Brand – auch er spricht von Lanoy. Durch einen von ihnen müssen wir an den Mann kommen.«
»Soll ich Pomrath einen Horcher verpassen?« erkundigte sich Leeward.
»Ich mache es selbst«, sagte Brogg. »Sie werden zugeben müssen, daß ich dafür eine besonders geschickte Hand habe.«
Das stimmte. Brogg bewegte sich für einen Mann seiner Fülle mit einer erstaunlichen Wendigkeit. Wie ein passionierter Taschendieb konnte sich Brogg seinen Opfern in einem Schnellboot nähern und den Horcher an den verschiedensten Stellen anbringen. Es war eine Begabung, die ihm gute Dienste geleistet hatte, als er Quellens Geheimnis ausspionierte. Mit Mortensen war er ähnlich elegant fertiggeworden. Nun kam also Pomrath an die Reihe. Brogg ging ins Labor und ließ sich die neuesten Horchermodelle zeigen.
»Hier ist ein hübsches Stück«, erklärte der Techniker stolz. »Wir haben es eben erst hergestellt. Der Abhörmechanismus ist in ein Stückchen pseudolebendes Glas eingebaut. Das Ergebnis dürfte einmalig sein. Sehen Sie sich die Sache nur an.«
Brogg streckte ihm die wulstige Hand entgegen. Der Techniker überreichte ihm eine winzige, nur wenige Moleküle starke Metallanlage, die unsichtbar in eine kleine, grünliche Kunststoffperle eingebaut war.
»Wie funktioniert das Ding?« fragte Brogg.
»Wie ein ganz normaler Horcher. Aber sobald sich das Gerät am Körper des Opfers befindet, tritt das Glas in Aktion und schiebt sich von selbst durch die Poren in die Haut. Sie verstehen, eine Art künstlicher Parasit. Kein noch so spitzer Gegenstand kann es unter der Haut hervorholen. Und die Sendedauer ist nicht beschränkt. Wenn man es wieder entfernen will, ist eine Operation notwendig.«
Brogg war beeindruckt. Es gab natürlich eine Menge Horchermodelle, die im Innern des Körpers angebracht wurden,
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