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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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gerettet.«
    »Gut«, sagte er. »Aber wir brauchen da oben trotzdem noch ein paar Benzinöfen.«
    »Nicht unbedingt. Hast du nicht gehört? Der Rimpoche will deine Idee ausprobieren – sie fertigen ein Keramikrohr an, um die ewige Flamme in eine Gemeinschaftsküche zu leiten, vielleicht sogar in mehrere. Dr. Choendrak und einige andere Mönche haben schon die ersten Entwürfe gemacht.«
    »Gut.«
    Aber er war noch immer niedergeschlagen und sah sich noch immer um, als wir durch Thamel zum Hotel Star gingen. »Freds, da wächst Gras auf dem Dach.«
    »Mir gefällt Gras auf dem Dach.«
    »Freds, das ist eine der größten Straßen der Hauptstadt dieser Nation, und das ist Schlamm.«
    »Richtig.«
    »Und das ist die Hauptstadt dieses Landes.«
    »Richtig. Aber den findest du auch in Teilen von Washington, D. C, wenn ich mich recht entsinne.«
    Er seufzte. »Ja, aber trotzdem …«
    Dann liefen wir dem Bettler und seiner Tochter über den Weg. Sie standen da Hand in Hand und streckten uns beide freie Hände entgegen. Sie sahen aus wie immer, nur daß sie wegen des Monsuns nasser waren, der Bettler mit seinem Lächeln, bei dem er einige Zahnlücken entblößte, und das kleine Mädchen, das in ihrem Kleid wie ein UNICEF-Poster aussah und gar nicht so viel anders als Sindus kleiner Junge oben im Tal, und George sagte: »Oh, Mann«, und wühlte in seiner Brieftasche, holte eine Handvoll Rupien hervor und gab sie dem Bettler. Der Bettler nahm sie und trat zurück; er wirkte schockiert.
    George ging ihm nach und sah zu mir zurück. »Freds, wir müssen etwas tun, meinst du nicht auch?«
    »Du hast gerade etwas getan, George.«
    »Ja, aber das reicht nicht! Ich meine, könnten wir sie nicht anstellen, unsere Zimmer zu säubern oder die Hotelhalle zu fegen, damit sie einen Job haben?«
    »Die Portiers haben diesem Mädchen mit dem Baby auf dem Rücken den Job gegeben. Das war wohl ein ähnlicher Fall.« Und in der Tat lief das Geschäft des Bettlers gut; sein kleines Mädchen war in dieser Gegend eine Menge Rupien wert. Anderen Bettlern ging es im Vergleich zu ihm wirklich schlecht. Aber das sagte ich nicht.
    »Aber könnten wir nicht … könnten wir ihnen nicht sagen, daß sie einfach unsere Zimmer machen sollen?«
    »Sie würden dich nicht verstehen.«
    Der Bettler und das Mädchen zogen sich vorsichtig von uns zurück und marschierten dann davon. George ließ die Schultern hängen.
    »Wir können nichts tun, was?«
    »Nein. Nur das, was du gerade getan hast, George.«
    Wir erreichten das Star, gingen auf unsere Zimmer, lasen den Rest der Trib, rauchten ein Pfeifchen zur Nacht und lachten über das tolle Abenteuer, wie wir Shambhala gerettet hatten, ganz zu schweigen vom Weltfrieden. Und wir riefen uns unsere Besteigung des Everest in Erinnerung zurück, und die Befreiung und Freilassung Buddhas, und ich erzählte George zum ersten Mal, wie Buddha und ein paar seiner Brüder bei der Schlacht um Chhule aufgetaucht waren, um uns zu helfen. »Nein«, sagte er. »Du willst mich verarschen.« Und er wollte mir einfach nicht glauben. »DU WILLST MICH VERARSCHEN!«
    Das ließ mich kichern. »Ist das nicht meine Dialogzeile?«
    Und er lachte, und wir unterhielten uns noch etwas, über Nathan und Sarah, Jimmy und Rosalynn und alle die anderen und hatten jede Menge Spaß.
    Doch George nahm die Dinge nicht leicht, wirklich nicht. Er war rastlos. Als ich gerade im Begriff stand, endgültig zusammenzubrechen, sagte er, er wolle zum K. C. gehen und ein Bier trinken. Ich erwiderte, er solle es nach seiner Genesung nicht übertreiben, da er immer noch wie der Sensenmann aussah, mit frischen Narben und schwarzen Ringen unter den Augen, das Vorbild eines jeden Magersüchtigen auf der Welt, doch er versicherte mir, er sei in Ordnung, und tigerte los.
    Ein paar Stunden später weckten mich jedoch die Flöhe in meiner Matratze, und ich sah in Georges Zimmer nach und stellte fest, daß er noch nicht zurück war. Es war spät für das K. C. Besorgt, daß er sich besoffen hatte und zusammengebrochen war, machte ich mich auf, nach ihm zu suchen.
    Thamel war dunkel, es war spät, und die schmalen Straßen waren fast leer. Kein Geräusch bis auf die Hunde, die in der Nachbarschaft bellten. Das K. C. war geschlossen, und das ganze Viertel lag in pechschwarzer Dunkelheit da.
    Und so stolperte ich fast über ihn. Er hatte den Bettler und seine Tochter gefunden, die an der Wand der German Pumpernickel Bakery schliefen, unter einer breiten Dachrinne, wo

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