Flucht aus Katmandu
mehrere Steine aus der obersten Reihe herausfielen. Dann drohte er, dem Rimpoche von Johns mörderischen Hoffnungen zu erzählen, falls der Colonel uns nicht augenblicklich nach Katmandu zurückfahren würde.
John war damit einverstanden, und noch in dieser Nacht marschierten wir über den Paß und zum Landrover hinab und beeilten uns so sehr, daß ich befürchtete, George würde zusammenbrechen, und am nächsten Nachmittag waren wir wieder in Thamel, wo das Leben ganz normal weiterging, als stünden wir überall sonstwo, nur nicht an der Schwelle zum Dritten Weltkrieg, obwohl das in Katmandu gar nichts zu bedeuten hatte. Letzte Woche hätte das Armageddon über die Erde hereinbrechen können, und Katmandu hätte wahrscheinlich noch nichts davon gewußt. Hier würde man es zuletzt erfahren.
Also stürmte George durch die Second-Hand-Buchläden und versuchte, die neuesten Tribbies aufzutreiben, was ihm allerdings nicht gelang. Das machte ihn geradezu paranoid. »Vielleicht ist das das erste Zeichen«, sagte er immer wieder. »Vielleicht ist das Ende schon da.«
Schließlich fand er eine, wie üblich vier Tage alt – 5. August, und die erste Seite war immer noch voll von der Krise. Der Leitartikel berichtete von einer Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates, einer sehr gespannten Sitzung, wie es den Eindruck hatte. Ein weiterer Artikel beschrieb, wie unser Präsident gesagt hatte, wenn die Russen und die Chinesen wirklich Meinungsverschiedenheiten hätten, na ja, dann sollten sie sie vielleicht von Mann zu Mann beilegen. Er könnte sich Schlimmeres vorstellen. Diese Auffassung hatte anscheinend den Russen nicht gefallen, die augenblicklich erklärten, sie betrachteten die USA als Verbündete Chinas und Beteiligte jedweder Aggression der Chinesen.
So standen die Dinge also. Für kein Geld auf der Welt konnte George in Katmandu spätere Trebbies auftreiben, und außerdem war die Situation ja sowieso klar. Die Welt stand am Rand des Abgrunds.
Die einzige Frage war, was wir dagegen tun würden.
»Wir müssen es von jedem möglichen Winkel aus anfangen«, sagte George. »Gott sei Dank habe ich schon einige Vorbereitungen getroffen.«
Er schien zu glauben, daß die Briefe, die er auf A.S.j.B. Ranas Schreibmaschine getippt und herumgereicht hatte, dem derzeitigen Notfall angepaßt werden konnten. »Ich habe gedacht, Rana wollte uns als Sündenböcke für irgendeine Schweinerei benutzen, die er im Sekretariat vorhatte«, sagte er, während er auf den Boden Skizzen entwarf. »Weißt du noch, wie uns jemand gesagt hat, er glaube, der Auftrag, die Straße nach Chhule zu bauen, sei an die Familie eines Ministers vergeben worden? Ich dachte, es könne ganz nützlich sein, den Eindruck zu erwecken, Rana sei dieser Minister. Er ist schließlich wahrscheinlich derjenige, der die Straße gebilligt hat, und er ließ uns immer wieder zurückkommen, als müsse er ein Auge auf uns halten, um zu verhindern, daß wir irgend etwas herausfinden. Also schrieb ich ein paar hausinterne Mitteilungen, die ihn belasteten, und verteilte sie, bevor wir aufbrachen. Wenn wir dieses Zeug jetzt unter die richtigen Leute bringen können …«
Also zog er am nächsten Tag seinen Stiftungs-Anzug an und begab sich zum Singha Durbar, und mit seinem mitgenommenen Gesicht sah er so bizarr aus, daß niemand ihn aufzuhalten wagte. Er ging zu den Büros der Nepal Gazette, trieb Bahadim auf und sagte ihm, er solle unter den wichtigen Ministern die Nachricht verbreiten, der Angriff auf Chhule sei nicht von der chinesischen Armee durchgeführt, sondern von einer Fraktion im Palastsekretariat angeordnet worden, die mit einer anderen Fraktion in Fehde läge, die alle Verträge für die Straße nach Chhule gebaut habe.
Noch am selben Nachmittag ging er zum Büro der Schweizer. Die Briefe, die George dort zurückgelassen hatte, verwickelten A.S.J.B. Rana in eine Verschwörung, die Straße nach Chhule zu sabotieren, Teil der endlosen Ränkezüge der Familie Rana untereinander, um im Palast mehr Macht zu erlangen. George erzählte den Schweizern, die Grenzzwischenfälle seien nur vorgetäuscht worden und beruhten auf den Zwistigkeiten der Familie Rana, und er sagte, die Schweizer sollten diese Information benutzen, um die Dinge in Genf und allgemein auf der internationalen Bühne zu beruhigen. Die Schweizer sagten, sie arbeiteten schon daran.
Zuletzt an diesem Nachmittag wagte er sich ins Palastsekratriat und suchte das Ministerium für Entwicklung, Chinesische
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