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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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den Glanz polierten Metalls. Unsere Schritte und unser Atem waren die einzigen Geräusche, die wir hörten; doch irgendwann blieben wir stehen, und weit vor uns erklang ein schwaches Klirren und dann das Scharren flüsternder Stimmen.
    »He«, sagte Freds. »Du brichst mir noch den Arm, wenn du ihn so fest drückst.«
    »Hör doch!« zischte ich.
    »Ich hör's ja. Deshalb sind wir ja hergekommen, schätze ich.« Er pfiff wie das Kommunikationssystem im Raumschiff Enterprise, richtete dann die Taschenlampe in den Tunnel, schaltete sie dreimal ein und aus und ließ sie dann aus. »Richte deine Taschenlampe zu Boden«, sagte er zu mir.
    Schritte näherten sich. Wir hörten sie schon in weiter Ferne, und sie schienen eine Ewigkeit zu brauchen, um zu uns zu gelangen, und wurden dabei immer lauter und fester. Ich war drauf und dran, meine Taschenlampe zu heben und zu blenden, wer immer dort kam, doch Freds hielt mich fest, bis sich die Schritte direkt vor uns im Tunnel befanden und wir eine dunkle Gestalt ausmachen konnten, die ebenfalls eine Taschenlampe zu Boden gerichtet hatte.
    Freds schaltete seine wieder an und richtete sie auf die Wand. In ihrem reflektierten Licht konnte die Gestalt uns sehen, und wir konnten sie sehen …
    Es war Bahadim Shrestha, unser Freund von der Nepal Gazette. »Mr. Freds«, sagte er. »Mr. George! Schön, Sie wiederzusehen.«
    »Bahadim!« sagte ich erstaunt. »Was, zum Teufel …«
    »In der Tat«, sagte er mit einem leisen Lächeln.
    Freds erklärte schnell, weshalb wir hier waren, und Bahadim runzelte die Stirn, als er von der geplanten Kanalisation hörte. »Das wäre äußerst unangenehm, ja, allerdings.«
    »He, zeigen Sie George, was Sie am Laufen haben, ja? Ich will, daß er es selbst sieht.«
    Bahadim musterte mich genau und dachte darüber nach. Dann nickte er. »Sie müssen versprechen, niemandem davon zu erzählen. Und von nun an müssen wir sehr, sehr leise sein. Wir haben gerade unabsichtlich ein Geräusch gemacht, und es wäre nicht klug, so kurz darauf noch eins zu machen. Die da oben könnten uns hören.«
    Also schlichen wir auf Zehenspitzen hinter Bahadim durch den Tunnel und stießen auf ein paar Männer, die beim Licht einer einziger Kerze arbeiteten. Wir schalteten unsere Taschenlampen aus, und nach einer Weile stellte ich überrascht fest, daß diese eine Flamme in der Tat eine ganze Menge erhellte. Wir waren in einem breiten, kreisrunden Raum, dessen niedrige, aus Erde bestehende Decke von einer Reihe hölzerner Kreuzbalken gehalten wurde. Lehmbrocken häuften sich pyramidenförmig unter einigen neuen Löchern in der Decke auf, und lange, dünne Leitern hoben sich in diese dunklen Löcher. Bahadim führte mich zu einer der Leitern, die anscheinend an Ort und Stelle angefertigt worden zu sein schien; die Sprossen waren mit Stricken an zwei lange Pfosten gebunden. Er zog ein einem Stück Seil, das zwischen den Pfosten hinabhing, und kurz darauf kam ein weiterer kleiner Hindu mit leisen, verstohlenen Bewegungen die Leiter hinab. Bahadim zeigte die Leiter hinauf und flüsterte in mein Ohr: »Gehen Sie nach oben und sehen Sie in die Spiegelröhre.«
    Also erprobte ich die unterste Sprosse, stellte fest, daß sie mich trug, und kletterte das Loch in die Dunkelheit hinauf, bis ich mit dem Kopf gegen Erde stieß. Der obere Teil des Tunnels wurde von etwas erhellt, das ich anfangs für eine kleine Taschenlampe hielt, sich dann aber als die Spiegelröhre erwies, die Bahadim erwähnt hatte. Ich drückte mein Auge gegen das Ende dieses Dings und sah in einem winzigen Spiegel einen kleinen Teil eines hell beleuchteten Raums: anscheinend einen Schreibtisch mit einem leeren Sessel dahinter und eine Mauer. Eine verschwommene braune Gestalt bewegte sich vor mir, und dann sah ich wieder den Schreibtisch. Nach einer Weile konnte ich mir zusammenreimen, worum es sich handelte, und stieg die Leiter wieder hinab.
    »Haben Sie es gesehen?« flüsterte Bahadim in mein Ohr.
    Ich nickte. »Was war das?« flüsterte ich in sein Ohr.
    »Das war das Büro des Königs.«
    Ich riß den Kopf zurück und starrte ihn an.
    Er nickte. »Wirklich«, flüsterte er.
    Ich deutete mit der Hand auf die anderen Löcher in der Decke, von denen jedes mit einer Leiter versehen war.
    Er nickte erneut, und der rote Punkt auf seiner Stirn leuchtete. »Die Büros des Palastsekretariats«, flüsterte er. »Die Konferenzräume der Minister. Die Privatgemächer des Königs. Wir haben alle wichtigen Zimmer im Palast

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