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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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ein Bettler in Thamel, ein Bettler mit einem kleinen Mädchen, und die beiden können nirgendwo unterkommen und haben auch keine Arbeit. Könnten Sie denen nicht helfen?«
    »Wir können es versuchen«, flüsterte Bahadim zurück. »Sagen Sie mir ihre Namen – ah, Sie kennen sie nicht. Nun gut – ich werde Sie besuchen, und Sie können mich vielleicht zu ihnen bringen.« Ich nickte. »Wir werden sehen, was wir tun können.«
    Beeindruckt sah ich Freds an. Er grinste und sagte: »Verstehst du, was ich meine?«

10

    Ich verstand, was er meinte. Und als wir durch die dunklen Tunnels zum Eingang hinter Yongtens Laden zurückkehrten, machte das gewaltige Tunnelsystem auf einmal einen ganz anderen Eindruck auf mich. Sicher, es handelte sich dabei noch immer um die Ruinen eines uralten und lange vergessenen Königreichs; aber es war anscheinend auch das rudimentäre Netzwerk einer neuen Regierung von Nepal – einer unterirdischen Regierung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, gegen die korrupte Herrschaft von König Birendra und der Ranas im Palast zu arbeiten. Es freute mich überaus, daß es so etwas gab.
    Und als Nathan mich früh am nächsten Nachmittag weckte, indem er gegen meine Tür klopfte, war ich einigermaßen verlegen und versuchte mein Bestes, ihn abzuwimmeln. Doch Nathan gehört nicht zu jenen Menschen, die man leicht abwimmeln kann, und er wollte mir zeigen, was sein Kanalisationsprojekt zu bewirken hoffte.
    Also wanderten wir durch die nordwestlichen Teile Katmandus, nicht nur durch Thamel, sondern auch durch die nicht so gut besuchten Viertel außerhalb, an den Ufern des Vishnumati. Hier gab es kaum Ausländer; hier waren die Einheimischen zu Hause. Viele dieser Leute arbeiteten in der Tourismusbranche in Thamel, doch es wurde ersichtlich, daß sie nicht allzu viel verdienten; das Viertel war überfüllt, die Gebäude alt und klein, die Ziegel handgefertigt und unregelmäßig, so daß sich die Häuser wie verrückt neigten. Die Straßen zwischen ihnen waren Schlammkanäle, und alles in allem sah das Viertel so aus, wie ich mir das elizabethanische London vorstellte, abgesehen von den heiligen Kühen und den kleinen Toyotas, die unentwegt hupend vorbeizischten. Das war die Heimat der Armen Katmandus, eine schmutzige, überfüllte, verwahrloste Gegend, ganz anders als die schmucke und malerische Innenstadt. In diesem Viertel war jeder Abendländer reich wie ein König. Früher hatte ich dieses Gefühl auch einmal genossen.
    Hier und da hatten sich in Ecken oder auf breiten Stellen der Straßen seit Jahren Abfallhaufen angesammelt, die dann vom Regen und vorbeikommenden Kühen, Ziegen, Hunden, Ratten, Kindern und Bettlern wieder abgetragen wurden. Während wir beobachteten, wie die Menschen um diese Müllkippen schwirrten, erzählte mir Nathan mehr über das Projekt. Anscheinend war die South Asian Development Agency, der Sponsor des Projekts, eine der am schlechtesten geführten Hilfsorganisationen in Nepal gewesen. Lasche Buchführungspraktiken hatten sie zu einem dieser Geldkanäle werden lassen, über die es so viele Gerüchte gibt und bei denen das Geld, das den Menschen des Landes helfen soll, schließlich in den Taschen der Beamten landet, die es verwalten.
    Nathan hatte die Stelle, die die Organisation ihm angeboten hatte, mit der Absicht angetreten, diesen Mißbrauch zu beenden, und sein erster Schritt war gewesen, ein ständig besetztes Büro in Katmandu einzurichten, das er selbst betreute. Zuvor waren die Geschäfte der Organisation mittels kurzer Besuche von der Hauptverwaltung in Manila geführt worden, was natürlich bedeutete, daß niemand wirklich wußte, was in Nepal vor sich ging. Das hatte zu einigen schrecklich ungeeigneten Hilfsprogrammen geführt, und bei einigen davon hatten sogar die Geldgeber der Organisation ihr Veto eingelegt, was kaum einmal vorkam. »Aber von diesem Kanalisationsprojekt sind alle begeistert«, sagte Nathan, »und du siehst ja auch, warum.«
    »Ja.«
    Wir hatten das Ufer des Vishnumati erreicht, und dort, unter der hellen Sonne und den verstreuten Kumuluswolken konnten wir die ganze Geschichte sehen: Frauen wuschen in den Untiefen Kleider; Abfall wurde von einem Karren auf einen großen Haufen am Ufer gekippt, der vom Fluß unterhöhlt wurde; Behelfshütten erhoben sich direkt am Ufer; spindeldürre Kinder spielten an freien Stellen oder dem steinigen Ufer. Dieser Fluß vereinigte sich ein Stück weiter mit dem Bagmati, der an der Universität und ein paar

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